By: Johannes Fiegenbaum on 22.06.25 03:43
Unternehmen müssen sich auf neue ESG-Vorgaben einstellen. Sowohl China als auch die EU verschärfen ihre Anforderungen an Umwelt-, Sozial- und Governance-Berichte (ESG). Hier die wichtigsten Punkte:
Herausforderungen und Chancen:
Aspekt | China ESG-Anforderungen | EU-Taxonomie |
---|---|---|
Fokus | Umwelt, soziale Verantwortung, Governance | Sechs Umweltziele, Greenwashing vermeiden |
Berichtspflichten | Ab 2026 für börsennotierte Unternehmen | Verbindlich für große Unternehmen ab 2023 |
Ansatz | Branchenorientiert, nationale Ziele | Einheitlich, strenge technische Kriterien |
Herausforderungen | Unterschiedliche Standards | Hohe Kosten, komplexe Anforderungen |
Fazit: Unternehmen müssen ihre ESG-Strategien anpassen, um gesetzliche Risiken zu vermeiden und von nachhaltigen Investitionen zu profitieren.
China hat sein ESG-System in den letzten Jahren deutlich verschärft und verfolgt dabei einen branchenorientierten Ansatz. Statt einheitlicher Regelungen werden spezifische Anforderungen für verschiedene Industrien entwickelt, um den jeweiligen Besonderheiten gerecht zu werden.
Das ESG-System in China basiert auf drei Hauptkomponenten: Grundstandards, branchenspezifische Standards und Anwendungsleitlinien. Ein zentrales Prinzip ist die „doppelte Wesentlichkeit", die sowohl die Auswirkungen von ESG-Faktoren auf die Finanzen eines Unternehmens als auch die Einflüsse des Unternehmens auf ESG-Ergebnisse berücksichtigt.
„Im Vergleich zu den einheitlichen ESG-Regulierungsstandards in anderen Ländern legen Chinas ESG-Regulierungsstandards einen stärkeren Schwerpunkt auf Industrie- und Unternehmensmerkmale."
Diese Einschätzung von Richard Sheng, Vorstandssekretär von Ping An, verdeutlicht Chinas individuellen Ansatz bei der Regulierung. Die daraus resultierenden Standards führen zu verbindlichen Offenlegungsanforderungen für bestimmte Unternehmen.
Chinas ESG-Vorschriften kombinieren verpflichtende Offenlegungspflichten für bestimmte Unternehmen mit freiwilligen Berichtsoptionen. Die drei führenden Börsen des Landes haben 2024 Leitlinien eingeführt, die börsennotierte Unternehmen zur Offenlegung von Nachhaltigkeitsinformationen verpflichten. Die ersten Berichte werden bis April 2026 erwartet .
Das Finanzministerium plant bis 2030 ein einheitliches, verpflichtendes ESG-Berichtssystem, wobei die wichtigsten Standards bis 2027 etabliert werden sollen. Allerdings variiert die Umsetzung stark: Während 2021 rund 63,8 % der zentralen Staatsunternehmen ESG-Berichte veröffentlichten, lag der Anteil bei privaten Unternehmen nur bei 23,5 %. Von etwa 5.000 A-Aktien-Unternehmen gaben 2023 lediglich 1.800 ESG-Berichte heraus.
Das chinesische ESG-Rahmenwerk konzentriert sich auf Umweltschutz, soziale Verantwortung und Unternehmensführung. Zu den zentralen Themen gehören Klimawandel, Umweltverschmutzung, Abfallmanagement, soziale Initiativen und die Förderung ländlicher Regionen.
Die „Fünf Schlüsselsäulen" des modernen Finanzsystems in China spiegeln diese Prioritäten wider: Technologiefinanzierung, grüne Finanzierung, inklusive Finanzierung, Rentenfinanzierung und digitale Finanzierung. Diese Ausrichtung unterstützt das Ziel, bis 2030 den Höhepunkt der Kohlenstoffemissionen zu erreichen und bis 2060 klimaneutral zu werden.
Praktische Beispiele zeigen, wie diese Ziele umgesetzt werden: Alibaba reduzierte im Geschäftsjahr 2023 die Emissionen seiner Kunden um 6,863 Millionen Tonnen CO₂-Äquivalent, während Cainiao durch den Einsatz recycelter Verpackungen 184.000 Tonnen Verpackungsmaterial einsparten.
Chinas ESG-Strategie umfasst auch technische und branchenspezifische Standards, die sich an internationalen Rahmenwerken wie ISSB und EU-Vorgaben orientieren . Bis Ende des dritten Quartals 2023 erreichten ESG-Investitionen in China einen Wert von 33,06 Billionen RMB (etwa 4,56 Billionen US-Dollar), ein Plus von 34,4 % im Vergleich zu 2022.
Die Zahl der reinen ESG-Fonds stieg von 16 im Jahr 2019 auf 135 im Jahr 2023, während ESG-Aktienindizes von 66 auf 370 anwuchsen. Peking strebt bis 2027 eine Offenlegungsrate von 70 % für ESG-Informationen bei börsennotierten Unternehmen an.
Ein besonderes Merkmal des chinesischen Ansatzes ist die Berücksichtigung nationaler Entwicklungsziele wie Armutsbekämpfung und die Förderung ländlicher Regionen. Diese Strategien zielen darauf ab, die negativen Auswirkungen wirtschaftlicher Aktivitäten auf gefährdete Gemeinschaften zu minimieren und nachhaltige Industrien zur Armutsminderung aufzubauen.
Die EU-Taxonomie-Verordnung bildet das Fundament der europäischen Nachhaltigkeitsregulierung und bietet einen einheitlichen Rahmen für alle Branchen. Dabei gewinnt sie auch weltweit an Bedeutung, insbesondere im Vergleich zu Ansätzen anderer Regionen wie China.
Die EU-Taxonomie ist ein Klassifizierungssystem, das definiert, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als nachhaltig oder umweltfreundlich gelten. Sie soll nachhaltige Finanzierungen fördern, Investoren in umweltfreundliche Projekte lenken und Greenwashing durch klare Vorgaben verhindern.
Unternehmen müssen alle umsatzgenerierenden Aktivitäten, die einem NACE-Code (Nomenclature of Economic Activities) zugeordnet sind, identifizieren und Angaben zu Umsatz, Investitionen (CapEx) sowie Betriebsausgaben (OpEx) machen, die taxonomiekonform sind. Diese Definition bildet die Grundlage für die gesetzlichen Anforderungen, die im nächsten Abschnitt näher erläutert werden.
Die EU-Taxonomie-Verordnung (2020/852/EU) ist eng mit der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verknüpft, die die Offenlegungspflichten regelt. Unternehmen müssen strenge Berichtspflichten erfüllen, die für folgende Gruppen gelten:
Von Anfang 2023 bis Mai 2024 wurden bereits 440 Milliarden EUR an taxonomiekonformen Aktivitäten gemeldet. Zusätzlich können Unternehmen die EU-Taxonomie freiwillig nutzen, um nachhaltige Aktivitäten gegenüber Investoren und Stakeholdern aufzuzeigen.
Die EU-Taxonomie fokussiert sich auf sechs zentrale Umweltziele: Klimaschutz, Anpassung an den Klimawandel, nachhaltige Nutzung von Wasser- und Meeresressourcen, Übergang zur Kreislaufwirtschaft, Vermeidung von Umweltverschmutzung sowie Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität.
Eine Aktivität wird als nachhaltig eingestuft, wenn sie wesentlich zu mindestens einem dieser Ziele beiträgt und gleichzeitig strenge Umweltauflagen erfüllt. Beispielsweise konnten die Treibhausgasemissionen in der EU bis 2022 um über 30 % im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Zudem sind die EU-Mitgliedstaaten rechtlich verpflichtet, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55 % zu reduzieren.
Der European Green Deal sieht Investitionen von 1 Billion EUR über die nächsten 10 Jahre vor, um Europa bis 2050 klimaneutral zu machen.
Im Gegensatz zum branchenspezifischen Ansatz Chinas legt die EU präzise technische Kriterien fest und folgt dem Prinzip „Do No Significant Harm“. Ein Beispiel hierfür ist die Windenergieerzeugung (NACE-Code D35.11), die unter das Ziel Klimaschutz fällt, da sie durch erneuerbare Stromproduktion Treibhausgasemissionen reduziert.
Bei Offshore-Windenergieprojekten müssen jedoch potenzielle Schäden an der Meeresbiodiversität vermieden werden. Das bedeutet, dass Umweltverträglichkeitsprüfungen, die Verwendung recycelbarer Materialien und Maßnahmen zur Minimierung von Auswirkungen auf Vogel- und Fledermauspopulationen erforderlich sind. Darüber hinaus müssen Unternehmen internationale Arbeits- und Menschenrechtsstandards einhalten.
Die unterschiedlichen Ansätze von China und der EU in Bezug auf ESG-Regulierungen haben jeweils ihre eigenen Stärken und Schwächen. Diese Unterschiede beeinflussen die praktische Umsetzung für Unternehmen erheblich.
Aspekt | China ESG-Anforderungen | EU-Taxonomie |
---|---|---|
Vorteile | Freiwillige Offenlegung, Ausrichtung an nationalen Entwicklungsprioritäten, schnelles Wachstum | Klare, verbindliche Kriterien, sechs definierte Umweltziele, starke internationale Wirkung |
Nachteile | Eingeschränkte Unabhängigkeit durch staatliche Eingriffe, schwache ESG-Bewertungen im internationalen Vergleich, unterschiedliche Standards zwischen Festlandchina und Hongkong | Hohe Komplexität und Kosten, strenge „Do No Significant Harm“-Prinzipien, Auswirkungen auf Unternehmen außerhalb der EU |
Dieser Überblick zeigt, wie unterschiedlich die beiden Ansätze sind und welche praktischen Konsequenzen sie mit sich bringen.
In China zeigt sich der top-down-Ansatz besonders deutlich in den Herausforderungen, vor denen Unternehmen stehen. Matthew Zimmer, Forschungsdirektor bei Newday Impact Investing, beschreibt die Situation so:
„Aus verschiedenen Gründen schneiden chinesische Unternehmen bei ESG-Kennzahlen schlecht ab oder versäumen es ganz, solche Daten zu melden. In einem Land wie China ist es schwierig, einzelne Unternehmen von der breiteren Regierung zu trennen. Die Regierung gibt letztendlich den Ton an.“
Die EU-Taxonomie stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, vor allem durch hohe Compliance-Kosten. Besonders betroffen sind chinesische Firmen mit Niederlassungen in der EU: 151 Tochtergesellschaften chinesischer Mutterkonzerne unterliegen bereits der direkten Aufsicht durch die CSRD. Von den 1.261 börsennotierten chinesischen Unternehmen mit einem Umsatz von über 2 Milliarden US-Dollar weisen 622 mehr als 75 % ihres Umsatzes als taxonomie-berechtigt aus.
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist Chinas Einführung des Prinzips der doppelten Materialität im Dezember 2024. Dieses Konzept, das vom Finanzministerium eingeführt wurde, berücksichtigt sowohl die finanziellen Auswirkungen von ESG-Themen auf Unternehmen als auch die Auswirkungen der Unternehmen selbst auf ESG-Ziele. Dies unterscheidet sich von den ISSB-Standards, die sich primär auf finanzielle Materialität konzentrieren, und könnte langfristig eine Annäherung an EU-Standards ermöglichen.
China hat sich inzwischen zum zweitgrößten Markt für grüne Anleihen weltweit entwickelt. Seit 2016 wachsen grüne Kredite und Anleihen in China jährlich um mehr als 20 %. Trotz dieses beeindruckenden Wachstums veröffentlichten 2021 jedoch nur 30 % der börsennotierten Unternehmen in China ESG-Berichte.
Angesichts der extraterritorialen Auswirkungen der EU-Regulierung sollten chinesische Unternehmen strategisch handeln. Investitionen in geeignete Daten, Tools und Ressourcen sind entscheidend, um langfristig die Vorteile dieser Regulierungen nutzen zu können.
China und die EU bewegen sich bei ihren ESG-Vorgaben zunehmend aufeinander zu. Im Mittelpunkt stehen dabei verbindliche Berichtspflichten, präzise Definitionen von Nachhaltigkeit und der Kampf gegen Greenwashing. Für multinationale Unternehmen bringt diese Entwicklung sowohl Chancen als auch Herausforderungen mit sich. Die Annäherung der Regelwerke schafft eine Grundlage für gezielte Strategien, die hier näher beleuchtet werden.
Mit der Common Ground Taxonomy, einem gemeinsamen Projekt von EU und China, entsteht eine Brücke zwischen zwei der größten Wirtschaftsräume der Welt. Diese Harmonisierung ermöglicht es Unternehmen, ihre Strategien effizient auf beide Märkte auszurichten. Ein Beispiel: Ein deutscher Automobilhersteller mit Produktionsstätten in China kann seine Maßnahmen zur Klima- und Ressourceneffizienz so gestalten, dass sie in beiden Regionen anerkannt werden. Das erleichtert nicht nur den Zugang zu grüner Finanzierung, sondern stärkt auch die Wettbewerbsfähigkeit.
Unternehmen sollten jetzt aktiv werden, da die chinesischen ESG-Pflichten ab 2026 vollständig greifen. Der Aufbau integrierter ESG-Management-Systeme, die sowohl die Anforderungen der EU als auch Chinas berücksichtigen, ist dabei entscheidend.
Besonders wichtig ist die Einführung des Konzepts der doppelten Wesentlichkeit, das den sich annähernden Ansatz beider Regime betont. Unternehmen, die frühzeitig handeln, können regulatorischen Risiken vorbeugen und sich Wettbewerbsvorteile sichern.
Die Missachtung der neuen Anforderungen birgt erhebliche Risiken. Neben rechtlichen Konsequenzen droht der Ausschluss von nachhaltigen Investitionsströmen. Wie im Artikel hervorgehoben, sind integrierte ESG-Management-Systeme ein zentraler Faktor: In China können Compliance-Verstöße die Beziehungen zu Behörden und Geschäftspartnern belasten. In der EU wiederum drohen Sanktionen im Rahmen der CSRD und der Taxonomie-Verordnung.
Die internationale Harmonisierung der ESG-Standards wird weiter voranschreiten. In einer globalisierten Wirtschaft wird die Fähigkeit, sich flexibel an neue Anforderungen anzupassen, immer wichtiger. Investitionen in digitale Datenmanagementlösungen und regelmäßige Schulungen der Nachhaltigkeitsteams werden dabei entscheidend sein.
Die Zeit zu handeln ist jetzt! Unternehmen, die ihre ESG-Strategien frühzeitig auf die sich annähernden Standards ausrichten, werden langfristig von dieser regulatorischen Transformation profitieren.
Die Angleichung der ESG-Standards zwischen China und der EU bietet Unternehmen mit internationaler Ausrichtung zahlreiche Vorteile. Einer der wichtigsten Punkte ist die vereinfachte ESG-Berichterstattung. Durch die Nutzung ähnlicher Kriterien und Definitionen entfällt der Aufwand, Berichte an unterschiedliche regionale Anforderungen anzupassen. Das spart nicht nur Zeit, sondern auch Ressourcen.
Ein weiterer Pluspunkt ist die verbesserte Vergleichbarkeit und Transparenz von Nachhaltigkeitsdaten. Das macht es für Investoren und Geschäftspartner einfacher, fundierte Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig wird die Komplexität der Compliance reduziert, was Unternehmen entlastet und die Umsetzung von Nachhaltigkeitszielen erleichtert.
Zusätzlich schafft diese Harmonisierung eine solide Grundlage für grenzüberschreitende Investitionen in nachhaltige Projekte. Unternehmen können dadurch nicht nur effizienter arbeiten, sondern auch ihre globalen Nachhaltigkeitsstrategien gezielter verfolgen.
Der chinesische Ansatz zur doppelten Wesentlichkeit unterscheidet sich deutlich von den Standards der EU, insbesondere in seiner Ausrichtung. Während die EU gleichermaßen die Auswirkungen von Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft sowie die Einflüsse externer Faktoren auf die Unternehmen bewertet, liegt der Schwerpunkt in China stärker auf den nationalen Entwicklungszielen und den Prioritäten der Industrie.
In China finden die entsprechenden Standards vor allem in bestimmten Sektoren und bei grünen Anleihen Anwendung. Im Gegensatz dazu hat die EU mit der CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) eine umfassende und verpflichtende Berichterstattung für große Unternehmen eingeführt. Ein weiteres Merkmal des EU-Ansatzes ist das „Do No Significant Harm“-Prinzip, das sicherstellt, dass nachhaltige Aktivitäten keine anderen Umweltziele beeinträchtigen. Während die EU bereits auf klar definierte Rahmenwerke zurückgreifen kann, befindet sich der Ansatz der doppelten Wesentlichkeit in China noch in der Entwicklungsphase.
Unternehmen in China sollten jetzt die Weichen stellen, um den neuen ESG-Vorgaben gerecht zu werden. Ein zentraler Schritt ist die Erstellung umfassender Nachhaltigkeitsberichte, die mit den nationalen Standards übereinstimmen. Dabei sind Transparenz und die Einhaltung branchenspezifischer Anforderungen entscheidend.
Um regulatorische Risiken zu vermeiden und wettbewerbsfähig zu bleiben, empfiehlt es sich, frühzeitig Systeme zur Erfassung und Berichterstattung von ESG-Daten aufzubauen. Ebenso wichtig ist es, die regulatorischen Entwicklungen genau im Blick zu behalten und die neuen Anforderungen rechtzeitig in die Unternehmensstrategie zu integrieren. So gelingt ein reibungsloser Übergang in die neue ESG-Ära.
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