Von Johannes Fiegenbaum am 13.02.24 15:51
Die doppelte Wesentlichkeit bildet seit Einführung der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) den methodischen Kern der Nachhaltigkeitsberichterstattung in der Europäischen Union. Das Konzept der doppelten Wesentlichkeit verknüpft zwei Perspektiven: die Impact-Wesentlichkeit (Inside-Out) betrachtet die Auswirkungen des Unternehmens auf Umwelt und Gesellschaft, während die finanzielle Wesentlichkeit (Outside-In) analysiert, wie Nachhaltigkeitsfaktoren die Geschäftstätigkeit beeinflussen.
Zentrale Entwicklungen 2025: Die EFRAG hat im Juli 2025 überarbeitete European Sustainability Reporting Standards (ESRS) veröffentlicht, die eine Reduktion der verpflichtenden Datenpunkte um 57% vorsehen. Parallel verschiebt das EU-Omnibus-Paket die Berichtspflicht für große Unternehmen um zwei Jahre und hebt den Schwellenwert auf 1.000 Mitarbeitende an – wodurch rund 80% der ursprünglich betroffenen Unternehmen entfallen. Diese Vereinfachungen erleichtern die Wesentlichkeitsanalyse erheblich, ohne das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit zu verwässern.
Für Unternehmen bedeutet dies: Die Wesentlichkeitsbewertung wird durch den explizit geförderten Top-Down-Ansatz praktikabler, während gleichzeitig mehr Flexibilität bei der Auswahl relevanter Nachhaltigkeitsthemen entsteht. Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse bleibt jedoch methodische Grundlage für CSRD-konforme Berichterstattung.
Das Prinzip der doppelten Wesentlichkeit (englisch: Double Materiality) stellt einen Paradigmenwechsel in der Nachhaltigkeitsberichterstattung dar. Anders als traditionelle Berichtsansätze, die primär finanzielle Risiken fokussierten, integriert die doppelte Wesentlichkeit systematisch die Wechselwirkungen zwischen Unternehmen und ihrer Umwelt.
Die Corporate Sustainability Reporting Directive schreibt diese Methodik seit dem 1. Januar 2024 für große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitenden vor. Das Wesentlichkeitsprinzip wurde durch die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) konkretisiert und operationalisiert.
Definition nach CSRD: Ein Nachhaltigkeitsaspekt gilt als wesentlich, wenn er entweder aus Impact-Perspektive (Auswirkungen auf Umwelt, Menschen oder Menschenrechte) oder aus finanzieller Perspektive (Einfluss auf Cashflows, Entwicklung, Performance oder Position des Unternehmens) oder aus beiden Perspektiven relevant ist. Bereits die Erfüllung einer Perspektive macht das Thema berichtspflichtig.
Diese Doppelperspektive unterscheidet die CSRD fundamental von vorherigen Reporting-Standards wie der Non-Financial Reporting Directive (NFRD) und etabliert erstmals einen verbindlichen EU-weiten Standard für die Wesentlichkeitsbewertung.
Die Inside-Out-Perspektive betrachtet, welche Auswirkungen die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens auf Nachhaltigkeitsfaktoren hat. Diese Impact-Wesentlichkeit erfasst positive wie negative Effekte entlang der gesamten Wertschöpfungskette.
Praxisbeispiele für Inside-Out:
Treibhausgasemissionen aus Produktion und Lieferkette (Scope 1, 2, 3)
Wasserverbrauch in wasserarmen Regionen
Arbeitsbedingungen bei Zulieferern
Biodiversitätseffekte durch Flächennutzung
Soziale Auswirkungen auf lokale Gemeinschaften
Kritisch: Die Inside-Out-Perspektive erfordert eine Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette, nicht nur des eigenen Unternehmens. Für Mittelständler mit komplexen Lieferketten stellt dies eine erhebliche analytische Herausforderung dar.
Die Outside-In-Perspektive analysiert umgekehrt, wie Nachhaltigkeitsthemen die finanzielle Performance beeinflussen. Diese finanzielle Wesentlichkeit umfasst Risiken und Chancen, die sich aus Nachhaltigkeitsfaktoren ergeben.
Praxisbeispiele für Outside-In: Weitere Informationen zu den wichtigsten Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der ESRS und CSRD findest du in unserem Leitfaden.
Regulatorische Risiken durch CO2-Bepreisung (EU ETS, nationale Systeme)
Reputationsrisiken bei Greenwashing-Vorwürfen
Physische Klimarisiken (Extremwetter, Wasserknappheit)
Chancen durch nachhaltige Produktinnovationen
Zugang zu Green Finance und günstigeren Kreditkonditionen
Transitionsrisiken durch technologische Disruption
Die Outside-In-Perspektive entspricht konzeptionell der Risikobetrachtung nach TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures) und integriert sich nahtlos in bestehende Risikomanagement-Prozesse.
Die CSRD-Berichtspflicht wird phasenweise implementiert:
Phase 1 (Berichtsjahr 2024): Große Unternehmen von öffentlichem Interesse mit mehr als 500 Mitarbeitenden
Phase 2 (verschoben auf Berichtsjahr 2027): Große Unternehmen, die zwei der drei Kriterien erfüllen:
Mehr als 1.000 Mitarbeitende (angehoben durch Omnibus-Paket von ursprünglich 250)
Bilanzsumme über 25 Mio. Euro (Schwellenwertanpassung vorgeschlagen)
Umsatz über 50 Mio. Euro (Schwellenwertanpassung vorgeschlagen)
Phase 3 (verschoben auf Berichtsjahr 2028): Börsennotierte KMU (voraussichtlich entfallend)
Kritische Änderung 2025: Das EU-Omnibus-Paket verschiebt die Fristen für Phase 2 und 3 um zwei Jahre und hebt die Schwellenwerte deutlich an. Statt ursprünglich 49.000 Unternehmen in der EU sollen nur noch ca. 10.000 berichtspflichtig werden. Diese "Stop-the-Clock"-Regelung reagiert auf massive Kritik am administrativen Aufwand.
Die European Sustainability Reporting Standards definieren 10 thematische Standards mit insgesamt über 1.000 ursprünglichen Datenpunkten:
ESRS E1-E5: Umweltthemen (Klima, Verschmutzung, Wasser, Biodiversität, Kreislaufwirtschaft)
ESRS S1-S4: Sozialthemen (eigene Belegschaft, Lieferkettenarbeiter, Verbraucher, Gemeinschaften)
ESRS G1: Unternehmensführung
Wichtig: Nicht alle ESRS-Themen sind für jedes Unternehmen wesentlich. Die Wesentlichkeitsanalyse bestimmt, welche Standards relevant sind und berichtet werden müssen. Lediglich ESRS 2 (allgemeine Angaben) ist für alle verpflichtend.
Die European Financial Reporting Advisory Group hat am 31. Juli 2025 überarbeitete ESRS-Entwürfe veröffentlicht, die erhebliche Erleichterungen bringen:
Kernänderungen:
57% weniger verpflichtende Datenpunkte: Reduzierung von über 1.000 auf ca. 430 Datenpunkte
55% geringerer Gesamtumfang der Standards durch Straffung und Konsolidierung
"Fair Presentation"-Prinzip: Neues Leitprinzip ermöglicht fokussierte Berichterstattung auf tatsächlich wesentliche Informationen
Non-Mandatory Illustrative Guidance (NMIG): Freiwillige Angaben in separate Dokumente ausgelagert
Explizite Förderung des Top-Down-Ansatzes: Unternehmen können vom Geschäftsmodell ausgehend arbeiten statt alle ESRS-Themen einzeln zu durchlaufen
Implikationen für die Wesentlichkeitsanalyse:
Verhältnismäßiger Nachweisaufwand bei offensichtlicher Wesentlichkeit
Keine automatische Berichtspflicht für alle Datenpunkte eines Standards, wenn nur ein Unterthema wesentlich ist
Stärkere Fokussierung auf unternehmensspezifische Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen
Die finale Verabschiedung dieser Änderungen durch die EU-Kommission ist für 2026 vorgesehen, mit Erstanwendung voraussichtlich für das Geschäftsjahr 2027.
Parallel zur ESRS-Vereinfachung hat die EU mit dem Omnibus-Paket (Omnibus I-Verordnung) fundamentale Änderungen an CSRD, CSDDD und EU-Taxonomie vorgenommen:
Zeitliche Verschiebungen:
Phase 2 verschoben von Berichtsjahr 2025 auf 2027 (Berichterstattung 2028)
Phase 3 verschoben von Berichtsjahr 2026 auf 2028 (Berichterstattung 2029)
Zwei Jahre zusätzliche Vorbereitungszeit für betroffene Unternehmen
Schwellenwertanpassungen:
Mitarbeitendenschwelle angehoben auf 1.000 (statt 250)
Resultat: 80% weniger berichtspflichtige Unternehmen
Börsennotierte KMU sollen vollständig von der Berichtspflicht ausgenommen werden
Status der deutschen Umsetzung (November 2025):
Erste Lesung des CSRD-Umsetzungsgesetzes im Bundestag am 9. Oktober 2025
Übergangsregelung für mittlere Unternehmen mit 501-1.000 Mitarbeitenden: Befreiung für Geschäftsjahre 2025 und 2026
Integration der Omnibus-Änderungen in deutsches Recht läuft parallel
Diese Entwicklungen zeigen einen klaren politischen Kurswechsel: Von maximaler Transparenzambition hin zu pragmatischer Regulierung mit Fokus auf Verhältnismäßigkeit und Wettbewerbsfähigkeit.
Der Prozess beginnt mit einer Analyse des Geschäftsmodells, der Wertschöpfungskette und des Unternehmenskontexts. Dabei werden potenzielle Impacts, Risks and Opportunities (IROs) identifiziert:
Top-Down-Ansatz (explizit gefördert seit 2025):
Ausgangspunkt: Geschäftsmodell, Branche, geografische Präsenz
Ableitung relevanter Nachhaltigkeitsthemen aus Geschäftstätigkeit
Priorisierung nach erwarteter Wesentlichkeit
Effizienter als Bottom-Up-Durchlauf aller ESRS-Themen
Datenquellen für die IRO-Identifikation:
Branchenanalysen und Peer-Benchmarks
Regulatorische Anforderungen (EU-Taxonomie, sektorspezifische Standards)
Stakeholder-Erwartungen (Investoren, Kunden, NGOs)
Bestehende Nachhaltigkeitsberichte und ESG-Ratings
Risikomanagement-Systeme und interne Audits
Die Bewertung der Auswirkungen erfolgt entlang mehrerer Dimensionen, beispielsweise im Hinblick auf die ESRS Vereinfachung 2025: Was die 68%-Reduzierung der Datenpunkte für KMU bedeutet:
Bewertungskriterien nach ESRS:
Schwere (Severity): Wie gravierend ist die Auswirkung?
Umfang (Scope): Wie viele Stakeholder sind betroffen?
Unumkehrbarkeit (Irremediability): Können Schäden rückgängig gemacht werden?
Zeithorizont: Tatsächliche und potenzielle Auswirkungen über kurz- (1-3 Jahre), mittel- (3-5 Jahre) und langfristige (5+ Jahre) Zeiträume.
Praxishinweis: Die Inside-Out-Bewertung erfordert häufig externe Datenquellen für Scope-3-Emissionen, Lieferkettenbedingungen und Biodiversitätseffekte. Spezialisierte ESG-Software kann hier Screening-Prozesse beschleunigen.
Die Outside-In-Perspektive bewertet Nachhaltigkeitsrisiken und -chancen nach finanzrelevanten Kriterien:
Risikobewertung:
Eintrittswahrscheinlichkeit: Wie wahrscheinlich ist das Risiko?
Finanzieller Impact: Welche Auswirkungen auf Ergebnis, Cashflow, Vermögenswerte?
Zeithorizont: Wann wird das Risiko schlagend?
Chancenbewertung:
Marktpotenziale durch nachhaltige Produktinnovationen
Kostenreduktionen durch Ressourceneffizienz
Verbesserte Kapitalmarktzugänge (Green Bonds, Sustainability-Linked Loans)
Integration in bestehende Prozesse: Die finanzielle Wesentlichkeitsbewertung sollte mit Enterprise Risk Management (ERM) und strategischer Planung verzahnt werden. Viele CFOs integrieren Nachhaltigkeitsrisiken bereits in reguläre Risikoreports.
ESRS fordern explizit die Einbeziehung betroffener Stakeholder in die Wesentlichkeitsanalyse. Dies umfasst:
Interne Stakeholder:
Vorstand/Geschäftsführung
Fachabteilungen (Produktion, Einkauf, HR, Risk Management)
Betriebsrat und Arbeitnehmervertretung
Externe Stakeholder:
Investoren und Kreditgeber
Kunden und Geschäftspartner
Zivilgesellschaft und NGOs
Lokale Gemeinschaften bei relevanten Standorten
Methodische Ansätze:
Strukturierte Interviews und Workshops
Online-Befragungen mit quantitativer Auswertung
Multi-Stakeholder-Dialoge zu kontroversen Themen
Analyse bestehender Stakeholder-Kommunikation
Die Ergebnisse werden in einer Wesentlichkeitsmatrix visualisiert, die beide Perspektiven integriert:
Achsen der Matrix:
X-Achse: Finanzielle Wesentlichkeit (Outside-In)
Y-Achse: Impact-Wesentlichkeit (Inside-Out)
Wesentlichkeitsschwellen: Unternehmen definieren Schwellenwerte, ab denen ein Thema als wesentlich gilt. Diese Schwellen müssen nachvollziehbar begründet und konsistent angewendet werden.
Dokumentationsanforderungen:
Beschreibung der Methodik und Bewertungskriterien
Liste identifizierter IROs mit Bewertungsergebnissen
Begründung der Wesentlichkeitsschwellen
Einbezogene Stakeholder und deren Perspektiven
Resultierende berichtspflichtige ESRS-Themen
Die Dokumentation muss Audit-Anforderungen genügen, da Wirtschaftsprüfer die Wesentlichkeitsanalyse im Rahmen der CSRD-Prüfung mit begrenzter Sicherheit validieren.
Für mittelständische Unternehmen unterhalb der CSRD-Schwellenwerte bietet die EFRAG mit dem Voluntary Standard for Sustainability Reporting for Non-Listed SMEs (VSME) eine vereinfachte Alternative:
VSME-Besonderheiten:
Reduzierte Datenpunkte (ca. 50 statt über 1.000)
Vereinfachte Wesentlichkeitsanalyse mit vordefinierten Themen
Modularität: Basic und Comprehensive Module
Freiwillige Anwendung, aber kompatibel mit ESRS
Strategische Überlegung: Auch nicht-berichtspflichtige KMU stehen unter zunehmendem Druck, Nachhaltigkeitsdaten bereitzustellen – als Zulieferer für CSRD-pflichtige Kunden oder zur Erfüllung von Bankenvorgaben bei der Kreditvergabe. Eine freiwillige Wesentlichkeitsanalyse nach VSME kann hier strategisch wertvoll sein.
Für ClimateTech-Startups und Impact-Unternehmen wird die Wesentlichkeitsanalyse zunehmend relevant für Finanzierungsrunden:
VC-Due-Diligence-Anforderungen:
Artikel-8/9-Fonds der SFDR fordern ESG-Integration
Impact-Messung über standardisierte Frameworks (IRIS+, Impact Management Project)
Wesentlichkeitsanalyse als Basis für Impact-Thesis und KPI-Definition
Praxisansatz für Pre-Series-A:
Fokus auf produktbezogene Impacts (Product Carbon Footprint, LCA)
Qualitative Wesentlichkeitsanalyse statt aufwendiger Quantifizierung
Alignment mit Investor-Erwartungen und Fund-Strategie
Link: ESG-Investment Quick Check bietet einen strukturierten Einstieg.
Für internationale Konzerne stellt die Konsolidierung der Wesentlichkeitsanalyse über verschiedene Geschäftsbereiche und Regionen eine besondere Herausforderung dar:
Methodische Ansätze:
Zentrale Steuerung mit einheitlicher Methodik und Schwellenwerten
Dezentrale Erhebung auf Geschäftsbereichs- oder Länderebene
Konsolidierung unter Berücksichtigung unterschiedlicher Kontexte
Governance-Strukturen:
ESG-Steering-Committees mit Vertretern aller relevanten Funktionen
Klare Verantwortlichkeiten für Datenerhebung und -qualität
Integration in bestehende Group-Reporting-Prozesse
Für die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist keine spezielle Software zwingend erforderlich. Der Prozess kann mit Excel, standardisierten Templates und Projektmanagement-Tools durchgeführt werden.
Allerdings: Der Markt für CSRD-Software hat sich 2024/2025 massiv entwickelt. Die Anzahl der CSRD-Softwareanbieter im DACH-Raum verdoppelte sich von 34 Ende 2023 auf 61 Ende 2024. Seit den Omnibus-Änderungen konsolidiert sich der Markt wieder.
ESG-Management-Plattformen: Entdecken Sie, wie der EFRAG VSME Standard kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in der EU hilft, Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Integrierte Wesentlichkeitsanalyse-Module mit Stakeholder-Management
Automatische IRO-Identifikation durch KI-gestützte Branchenanalyse
Template-basierte Bewertung nach ESRS-Kriterien
Visualisierung der Wesentlichkeitsmatrix
Spezialisierte Features (2025):
Integration von Klimadaten (Copernicus, IPCC-Szenarien)
Automatische Scope-3-Berechnung über Lieferketten-APIs
Biodiversitäts-Screening (TNFD-konform)
Erweiterungen über CSRD hinaus: Viele Anbieter entwickeln Module für:
EU-Taxonomie-Alignment
EUDR-Compliance (Geo-Tracking für Rohstoffe)
Product Carbon Footprint (PCF)
CBAM-Reporting
Für wen lohnt sich Software?
Unternehmen mit komplexen Lieferketten und hoher Datenmenge
Organisationen mit dezentralen Reporting-Strukturen
Konzerne mit mehreren berichtspflichtigen Einheiten
Unternehmen, die über CSRD hinaus integriertes ESG-Management aufbauen wollen
Make-or-Buy-Abwägung:
Inhouse-Lösung: Bei standardisierten Prozessen und verfügbaren IT-Ressourcen
Software-Anschaffung: Bei wiederkehrender Berichtspflicht und Skalierungsbedarf
Beratungsunterstützung: Für initiale Wesentlichkeitsanalyse und Methodik-Aufbau
Link zum CSRD Materiality Screening für einen strukturierten Selbstcheck.
Was bedeutet doppelte Wesentlichkeit im Zusammenhang mit ESG?
Doppelte Wesentlichkeit verknüpft zwei Perspektiven: die Impact-Wesentlichkeit betrachtet, wie das Unternehmen auf Umwelt und Gesellschaft wirkt (Inside-Out), während die finanzielle Wesentlichkeit analysiert, wie Nachhaltigkeitsfaktoren das Unternehmen beeinflussen (Outside-In). Ein Thema ist wesentlich, wenn mindestens eine Perspektive erfüllt ist.
Was ist die doppelte Wesentlichkeitsanalyse in der CSRD?
Die doppelte Wesentlichkeitsanalyse ist der methodische Prozess zur Identifikation, Bewertung und Priorisierung von Nachhaltigkeitsthemen nach CSRD. Sie bestimmt, welche ESRS-Standards ein Unternehmen berichten muss. Die Analyse umfasst IRO-Identifikation, Impact- und finanzielle Bewertung, Stakeholder-Einbindung und Dokumentation.
Was ist eine Wesentlichkeitsbewertung?
Eine Wesentlichkeitsbewertung bewertet identifizierte Nachhaltigkeitsthemen systematisch nach definierten Kriterien. Für die Impact-Perspektive sind dies Schwere, Umfang und Unumkehrbarkeit der Auswirkungen. Für die finanzielle Perspektive werden Eintrittswahrscheinlichkeit und finanzieller Impact über verschiedene Zeithorizonte bewertet.
Was ist die Outside-In-Perspektive?
Die Outside-In-Perspektive (finanzielle Wesentlichkeit) bewertet, wie Nachhaltigkeitsthemen Risiken und Chancen für das Unternehmen darstellen. Dies umfasst regulatorische Risiken, physische Klimarisiken, Reputationseffekte und Chancen durch nachhaltige Innovationen. Die Perspektive entspricht konzeptionell der TCFD-Risikoanalyse.
Wer muss eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchführen?
Alle CSRD-berichtspflichtigen Unternehmen müssen eine doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchführen. Nach den Omnibus-Anpassungen 2025 sind dies primär große Unternehmen mit über 1.000 Mitarbeitenden (zusätzlich zu Umsatz- und Bilanzsummen-Schwellenwerten). Börsennotierte KMU sollen von der Pflicht ausgenommen werden.
Wie oft muss die Wesentlichkeitsanalyse aktualisiert werden?
Die Wesentlichkeitsanalyse sollte jährlich überprüft und bei wesentlichen Änderungen des Geschäftsmodells, der Strategie oder des externen Kontexts aktualisiert werden. Nicht jede jährliche Überprüfung erfordert eine vollständige Neuerhebung – oft reichen Updates bestehender Bewertungen.
Was sind typische Stolpersteine bei der Durchführung?
Häufige Herausforderungen umfassen: unzureichende Datenverfügbarkeit für Scope-3-Emissionen, mangelnde Stakeholder-Einbindung, inkonsistente Bewertungskriterien, fehlende Integration in bestehende Risikomanagement-Prozesse und unzureichende Dokumentation für Audit-Zwecke. Externe Expertise kann diese Fallstricke vermeiden helfen.
Die doppelte Wesentlichkeit hat sich als methodisches Rückgrat der europäischen Nachhaltigkeitsberichterstattung etabliert. Das Prinzip verbindet Impact-Orientierung mit finanzieller Relevanz und schafft damit eine belastbare Basis für strategisches Nachhaltigkeitsmanagement.
Aktuelle Entwicklungen zeigen einen klaren Trend: Die EU reagiert mit den ESRS-Vereinfachungen und dem Omnibus-Paket auf Kritik am Regulierungsaufwand. Die 57%ige Reduktion der Datenpunkte, das "Fair Presentation"-Prinzip und die verschobenen Fristen schaffen Spielraum für qualitativ hochwertige Berichterstattung statt maximaler Datenflut.
Für Unternehmen bedeutet dies konkret:
Mehr Zeit zur Vorbereitung: Die zweijährige Verschiebung ermöglicht systematischen Aufbau der Nachhaltigkeitsberichterstattung
Fokussierte Analyse: Der geförderte Top-Down-Ansatz macht Wesentlichkeitsanalysen praktikabler
Weniger administrative Last: 80% weniger berichtspflichtige Unternehmen durch erhöhte Schwellenwerte
Strategische Empfehlungen:
Nicht abwarten: Auch bei verschobenen Fristen lohnt frühzeitiger Start der Wesentlichkeitsanalyse
Stakeholder systematisch einbinden: Frühzeitige Dialoge vermeiden spätere Nacharbeiten
Software evaluieren: Bei komplexen Strukturen amortisiert sich spezialisierte Software schnell
Integration statt Parallelstruktur: Nachhaltigkeitsthemen in bestehende Management-Prozesse einbetten
Die für 2026 erwartete finale Verabschiedung der überarbeiteten ESRS wird weitere Klarheit schaffen. Unternehmen, die heute mit der Wesentlichkeitsanalyse beginnen, positionieren sich strategisch für die nächste Phase der Nachhaltigkeitsberichterstattung – und erschließen sich parallel Wettbewerbsvorteile durch besseres Risikomanagement und verbesserten Zugang zu nachhaltiger Finanzierung.
ESG- und Nachhaltigkeitsberater mit Spezialisierung auf CSRD, VSME und Klimarisikoanalysen. 300+ Projekte für Unternehmen wie Commerzbank, UBS und Allianz.
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