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9 min Lesezeit

EFRAG VSME: Der neue EU-Standard für KMU-Nachhaltigkeitsberichterstattung (2025/2026)

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Executive Summary

Der EFRAG VSME-Standard ist seit 30. Juli 2025 offiziell von der EU-Kommission empfohlen und wird 2026 als delegierter Rechtsakt rechtlich verankert. Mit dem Omnibus-Paket wird VSME als verbindlicher Value Chain Cap festgeschrieben – das heißt: Große Unternehmen können von ihren KMU-Lieferanten maximal VSME-Daten fordern, nicht mehr. Damit entwickelt sich der VSME von einer optionalen Initiative zur de-facto-Standardlösung für KMU-Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa.

Für kleine und mittelständische Unternehmen bedeutet dies: Wer jetzt den voluntary sustainability reporting standard EFRAG VSME umsetzt, ist automatisch für CSRD-Lieferketten, Bankfinanzierungen und EU-Förderprogramme qualifiziert – mit nur etwa 75 Datenpunkten statt 500+ wie bei den European Sustainability Reporting Standards (ESRS).

Was ist der EFRAG VSME Standard?

Der voluntary standard VSME (Voluntary Sustainability Reporting Standard for Non-Listed SMEs) ist ein sustainability reporting standard für kleine und mittlere Unternehmen, entwickelt von EFRAG (European Financial Reporting Advisory Group) im Auftrag der European Commission. Der VSME ermöglicht Nachhaltigkeitsberichterstattung ohne die Komplexität des vollen ESRS Set 1.

Kernmerkmale des VSME:

  • Modular aufgebaut: Basismodul (B1-B11) und Zusatzmodul (C1-C9)
  • Etwa 75 Datenpunkte statt 500+ bei ESRS
  • If-applicable-Prinzip: Nur relevante Themen werden berichtet
  • Kompatibel mit ESRS: Aufstieg zu voller CSRD-Berichterstattung möglich
  • Für alle KMU geeignet: Von 10 bis 1.000 Mitarbeiter

Der VSME ist keine vereinfachte CSRD-Berichtspflicht, sondern ein eigenständiger voluntary sustainability reporting standard, der KMU befähigt, strukturiert über Umwelt-, Sozial- und Governance-Themen (ESG) zu berichten.

Aktueller Status und Roadmap bis 2026 (November 2025)

Der VSME hat einen konkreten Implementierungszeitplan und bietet zwei Module zur Nachhaltigkeitsberichterstattung:

Meilensteine:

  • 30. Juli 2025: EU-Kommission veröffentlichte offizielle Empfehlung mit VSME Basis- und Zusatzmodul plus praktische Unterstützungsmaterialien im Amtsblatt
  • 30. November 2025: EFRAG übergibt finale ESRS-Überarbeitung und aktualisierte VSME-Version an die Kommission
  • 2026: Delegierter Rechtsakt verabschiedet VSME als rechtlich bindenden reporting standard
  • Bis 2026: EFRAG entwickelt digitale Infrastruktur:
    • XBRL Taxonomy für maschinenlesbare, europaweit einheitliche Datenerfassung
    • Digital Template und Excel Template für einfache Dateneingabe
    • Reporting-Plattformen mit automatisierter Vorlage

Wichtiger Kontext: Mit dem Omnibus-Paket (Oktober 2025) werden 80% der ursprünglich CSRD-pflichtigen KMU aus der Berichtspflicht entlassen. Genau diese Unternehmen sind die Kernzielgruppe des freiwilligen VSME, um Lieferketten-Anforderungen (Trickle-Down-Effekt) zu erfüllen.

VSME als Lieferketten-Standard: Value Chain Cap schafft Verbindlichkeit

Die EU-Kommission richtet ihre VSME-Empfehlung nicht nur an KMU, sondern auch an Finanzinstitute, Banks und Versicherungen. Diese sollen:

  • VSME akzeptieren und nicht ihre eigenen ESG-Fragebögen an Lieferanten versenden
  • Value Chain Cap beachten: Informationsabfragen an non-listed SMEs auf VSME-Themen begrenzen
  • Verhältnismäßigkeit wahren: Keine doppelten oder widersprüchlichen Daten-Anforderungen

Mit dem Omnibus 1 wird dieser Value Chain Cap als Rechtspflicht verankert. Das heißt: KMU, die den VSME standard umsetzen, sind automatisch SFDR- und Lieferketten-konform, ohne weitere Spezial-Offenlegungen bearbeiten zu müssen. Dies ist ein wesentlicher Vorteil für die VSME-Adoption.

Die European Commission fordert explizit, dass große Unternehmen ihre Angaben-Anforderungen auf VSME-Inhalte beschränken müssen – mehr Daten dürfen sie von KMU nicht verlangen.

VSME-Struktur: Modular, praktisch, skalierbar

Der VSME besteht aus zwei Modulen mit insgesamt etwa 75 Datenpunkten (versus 500+ bei ESRS):

Basis-Modul (B1-B11, ~30-40 Punkte):

  • Zielgruppe: Kleinstunternehmen und kleine KMU (10-50 employees)
  • Aufwand: 1-2 Wochen zur Erstellung erster Wesentlichkeitseinschätzung
  • Enthält: Grundlegende CO₂-Daten, Soziales, Governance-Angaben ohne aufwendige Stakeholder-Befragung
  • Fokus: Schnelle Umsetzung für Lieferketten-Compliance

Zusatzmodul (C1-C9, ~35-40 Punkte): Weitere Informationen zur Durchführung einer Wesentlichkeitsanalyse für KMU finden Sie hier.

  • Zielgruppe: Mittelständische KMU bis 250 MA und kapitalmarktorientierte small and medium undertakings
  • Aufwand: 2-4 Wochen für erweiterte Berichterstattung
  • Enthält: Detaillierte Stakeholder-Perspektiven, strategische Maßnahmen, konkrete Zielsetzung
  • Fokus: Finanzierungsfähigkeit und Investor Relations

If-applicable-Prinzip: Unternehmen berichten im VSME nur über wirklich relevante Themen – keine standardisierte 75-Punkt-Abdeckung erforderlich. Das reduziert den administrativen Overhead massiv und erlaubt fokussierte Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Diese modulare Struktur ermöglicht es Unternehmen, mit dem Basismodul zu starten und bei Bedarf das Zusatzmodul zu ergänzen – je nach Anforderungen durch Value Chain, Banks oder Investoren.

Unterstützungsmaterialien und digitale Infrastruktur

EFRAG stellt umfassende Unterstützungsmaterial auf der VSME Website bereit:

Verfügbare Ressourcen:

  • Implementation Guidance: Praktische Erklärungen zur Anwendung des VSME
  • Excel Template und Digital Template: Vorgefertigte Vorlagen für Dateneingabe
  • Videos: Schulungsmaterialien in mehreren Languages
  • XBRL Taxonomy (ab 2026): Standardisiertes Format für maschinenlesbare Berichte im XBRL JSON-Format
  • Sector-specific Guidelines: Branchenspezifische Unterstützungsmaterialien

Die EFRAG SR TEG (Sustainability Reporting Technical Expert Group) entwickelt diese Unterstützungsmaterialien kontinuierlich weiter. Besonders wichtig ist die XBRL Taxonomy, die 2026 europaweit einheitliche, maschinenlesbare ESG-Daten ermöglicht – ein Game-Changer für Finanzinstitute und große Unternehmen, die Tausende KMU-Berichte aggregieren müssen.

Wichtige Anpassungen: EZB-Feedback und parallele ESRS-Vereinfachung

Bei der Entwicklung des finalen VSME standard hat die Europäische Zentralbank kritisiert, dass die ursprüngliche Version nicht ausreichend aufsichtsrechtliche Anforderungen erfüllte. Als Konsequenz werden insbesondere das Zusatzmodul und Governance-Anforderungen überarbeitet, um Banks und Versicherer die aufsichtsrechtliche Analyse zu erleichtern.

Zudem läuft parallel eine Überarbeitung der ESRS (57% weniger Datenpunkte geplant), an die der VSME angepasst wird, um Kompatibilität zu sichern. Die Finalisierung dieser Synchronisierung erfolgt bis 30. November 2025 durch EFRAG.

Bedeutung für die Praxis:

  • VSME wird noch praktikabler und fokussierter
  • Bessere Anschlussfähigkeit an regulatorische Anforderungen
  • Klarere Guidance für kritische ESG-Bereiche

Der überarbeitete VSME wird somit nicht nur KMU-freundlicher, sondern auch robuster für regulatorische Prüfungen – ein wichtiger Aspekt für die Akzeptanz bei Banken und Wirtschaftsprüfern.

VSME vs. CSRD vs. ESRS: Wann welcher Standard?

Kriterium VSME CSRD/ESRS Empfehlung
Unternehmensgröße Bis 1.000 MA Ab 250 MA / börsennotiert KMU: VSME; Große: ESRS
Datenpunkte ~75 500+ VSME: 85% weniger Aufwand
Berichtspflicht Freiwillig (empfohlen) Verpflichtend VSME für Lieferketten ausreichend
Prüfungspflicht Optional Verpflichtend VSME reduziert Audit-Kosten
Umsetzungszeit 2-6 Wochen 6-12 Monate VSME: 10x schneller
Kosten 5.000-20.000 € 50.000-200.000 € VSME: 90% Kosteneinsparung

Für die meisten KMU ist der VSME der optimale reporting standard – ausreichend für Compliance, finanzierbar und mit klarer Grundlage für spätere ESRS-Umsetzung, falls erforderlich.

Praktisches Szenario: VSME-Umsetzung 2025/2026

Ausgangssituation (Herbst 2025): Ein mittelständischer Produktionsbetrieb mit 200 employees erhält Anfragen von großem Auftraggeber und Bank nach ESG-Daten.

Umsetzungsschritte:

  1. Wesentlichkeitsanalyse (1 Woche): Mit VSME Basis-Modul relevante ESG-Themen identifizieren
  2. Datenerfassung (2-3 Wochen): Excel Template nutzen oder ESG-Software mit VSME-Module implementieren
  3. Bericht erstellen (1 Woche): VSME-konforme Nachhaltigkeitsberichterstattung nach digitaler Vorlage
  4. Veröffentlichung (optional): Auf Website oder via ESG-Plattform

Ergebnis:

  • Unternehmen hat standardisierte, finanzierungsfähige ESG-Berichterstattung
  • Automatisch Value-Chain-Cap-konform (ab 2026)
  • Basis für Bankgespräche und EU-Förderprogramme
  • Skalierbar zu ESRS bei späterem Wachstum

Kosten: 5.000-15.000 € für externe Beratung oder 2.000-8.000 € bei Nutzung digitaler Tools.

VSME und ESG-Finanzierung: Der Business Case

Der VSME öffnet KMU Zugang zu nachhaltigen Finanzierungsinstrumenten:

Finanzierungsvorteile:

  • ESG-linked Loans: Zinsvergünstigungen bei Nachhaltigkeitszielen (0,1-0,5% Zinsreduktion)
  • EU-Förderprogramme: Viele Programme erfordern Nachhaltigkeitsberichterstattung
  • Green Bonds: Für größere KMU werden nachhaltige Anleihen zugänglich
  • Investoren-Zugang: VC/PE-Fonds mit SFDR-Anforderungen bevorzugen VSME-konforme Unternehmen

ROI-Beispiel:

  • Kreditvolumen: 2 Mio. €
  • Zinsreduktion durch ESG-linked Loan: 0,3%
  • Jährliche Ersparnis: 6.000 €
  • VSME-Implementierung (einmalig): 10.000 €
  • Break-even: 1,7 Jahre

Die Investition in den VSME standard amortisiert sich typischerweise innerhalb von 2-3 Jahren durch verbesserte Finanzierungskonditionen.

Strategische Empfehlungen für KMU (November 2025)

Sofortmaßnahmen:

  1. VSME-Readiness-Check durchführen: Welche Daten sind bereits verfügbar? Wo bestehen Lücken?
  2. Basismodul umsetzen: Mit minimalem Aufwand Grundlage schaffen
  3. Digitale Infrastruktur aufbauen: Excel Template oder ESG-Software evaluieren
  4. Stakeholder informieren: Kunden, Banks, Lieferanten über VSME-Adoption kommunizieren

Mittelfristig (bis 2026):

  1. XBRL-ready werden: Sicherstellen, dass Berichterstattung mit XBRL Taxonomy kompatibel ist
  2. Zusatzmodul ergänzen: Falls Finanzierung oder Investoren es erfordern
  3. Audit-Vorbereitung: Auch wenn nicht verpflichtend, erhöht Prüfung Glaubwürdigkeit
  4. Value-Chain-Integration: VSME-Daten in Kundenkommunikation und Ausschreibungen nutzen

Langfristig (2027+):

  1. Kontinuierliche Verbesserung: VSME-Reporting jährlich aktualisieren
  2. ESRS-Readiness: Bei Wachstum über 250 employees ESRS-Übergang vorbereiten
  3. Benchmarking: Branchenvergleiche und Best Practices integrieren

Häufige Fragen (FAQ)

Was kostet die VSME-Umsetzung?

Die Kosten variieren nach Unternehmensgröße und Vorbereitungsgrad:

  • DIY mit Excel Template: 2.000-5.000 € (interne Arbeitszeit)
  • Mit Beratung: 8.000-20.000 € (externe Unterstützung)
  • Vollständige Software-Lösung: 3.000-10.000 € pro Jahr

Der VSME ist damit 80-90% günstiger als volle CSRD-Implementierung.

Ist VSME-Reporting verpflichtend?

Nein, der VSME ist ein voluntary standard. Aber: Mit dem Value Chain Cap werden große Unternehmen KMU-Zulieferer de facto zur VSME-Berichterstattung drängen. Die Empfehlung lautet daher: Freiwillig umsetzen, um Wettbewerbsfähig zu bleiben.

Kann ich vom VSME später zu ESRS wechseln?

Ja, der VSME ist ESRS-kompatibel konzipiert. Der Aufbau ist so angelegt, dass beim Wachstum über CSRD-Schwellenwerte eine strukturierte Erweiterung möglich ist – ohne bei Null anzufangen.

Welche Unterstützungsmaterialien gibt es?

EFRAG stellt auf der offiziellen VSME Website umfangreiche Unterstützungsmaterial bereit:

  • Implementation Guidance in allen EU-Languages
  • Excel Template und Digital Template
  • Schulungs-Videos
  • XBRL Taxonomy (ab 2026)
  • Sector-specific Guidelines

Wie funktioniert der Value Chain Cap konkret?

Ab 2026 dürfen große CSRD-pflichtige Companies von ihren KMU-Lieferanten maximal VSME-konforme Daten verlangen. Jede darüber hinausgehende Datenanfrage ist unzulässig. Dies schützt KMU vor ausufernden ESG-Fragebögen.

Was bedeutet das If-applicable-Prinzip?

Im VSME müssen Unternehmen nur über Themen berichten, die für ihr Geschäftsmodell relevant sind. Ein digitales Dienstleistungsunternehmen muss beispielsweise keine detaillierten Wasser-Angaben machen, wenn Wasserverbrauch nicht wesentlich ist.

Wie unterscheidet sich VSME vom VSME Ecosystem?

Das VSME Ecosystem umfasst den eigentlichen VSME standard plus alle Unterstützungsmaterialien, digitale Templates, XBRL Taxonomy und Guidance-Dokumente. Es ist das Gesamtsystem zur VSME-Umsetzung.

Muss ich einen Wirtschaftsprüfer beauftragen?

Nein, für den voluntary standard VSME besteht keine Prüfungspflicht. Allerdings erhöht eine freiwillige Prüfung (Limited Assurance) die Glaubwürdigkeit gegenüber Banks und Investoren erheblich.

Welche Rolle spielt die XBRL Taxonomy?

Die XBRL Taxonomy ermöglicht ab 2026 maschinenlesbare, standardisierte ESG-Daten. Große Unternehmen und Finanzinstitute können dann automatisiert Tausende VSME-Berichte aggregieren und analysieren – ein entscheidender Faktor für die Massenadoption des VSME.

Wie bereite ich mich jetzt optimal vor?

  1. VSME-Struktur verstehen (Basis- vs. Zusatzmodul)
  2. Vorhandene ESG-Daten inventarisieren
  3. Gaps identifizieren und priorisieren
  4. Entscheidung: Inhouse, Beratung oder Software-Tool?
  5. Bis Ende 2025 Basismodul umsetzen

Quellen

Die Informationen in diesem Artikel basieren auf offiziellen Veröffentlichungen der EU-Kommission im Amtsblatt, EFRAG-Dokumenten und aktuellen regulatorischen Entwicklungen (Stand: November 2025). Alle Details zum VSME standard, Unterstützungsmaterialien und der XBRL Taxonomy finden sich auf der offiziellen EFRAG-Website in accordance mit der EU-Kommission Empfehlung vom 30. Juli 2025.

Johannes Fiegenbaum

Johannes Fiegenbaum

ESG- und Nachhaltigkeitsberater mit Spezialisierung auf CSRD, VSME und Klimarisikoanalysen. 300+ Projekte für Unternehmen wie Commerzbank, UBS und Allianz.

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