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13 min Lesezeit

Omnibus-Poker: Was die EPP-Position für eure ESG-Strategie bedeutet

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Die EPP signalisiert Bereitschaft zur Kooperation mit rechten Fraktionen bei der Omnibus-Abstimmung im Oktober – das könnte CSRD-Schwellenwerte auf 3.000 Mitarbeiter und CSDDD auf 5.000 Mitarbeiter anheben.Für euch bedeutet das: Plant parallel für drei Szenarien, aber investiert jetzt in No-Regret-Moves wie Wesentlichkeitsanalyse und CO2-Bilanzierung. Denn ESG bleibt strategisch relevant – unabhängig davon, welche politische Fraktion gewinnt.

Für eilige Leser: Springt direkt zu den Handlungsempfehlungen oder nutzt den CSRD Materiality Screening-Check, um eure Betroffenheit zu prüfen.

Drei Szenarien, eine Entscheidung: Was im Oktober passieren kann

Die Abstimmung im EU-Parlament (geplant für Mitte Oktober 2025) wird über die Zukunft der EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung entscheiden. Drei Positionen stehen zur Wahl – mit drastisch unterschiedlichen Konsequenzen für eure ESG-Strategie.

Kriterium Szenario 1: Ambitioniert
(40% Wahrscheinlichkeit)
Szenario 2: Pragmatisch
(35% Wahrscheinlichkeit)
Szenario 3: Minimalistisch
(25% Wahrscheinlichkeit)
CSRD-Schwelle 1.000 MA + 40 Mio. EUR 1.000 MA + 50 Mio. EUR 3.000 MA + 450 Mio. EUR
CSDDD-Schwelle 3.000 MA + 750 Mio. EUR 5.000 MA + 1,5 Mrd. EUR 3.000 MA + 450 Mio. EUR
Klimatransitionspläne Verpflichtend, vereinfacht CSRD: Ja, CSDDD: Verschoben Freiwillig oder gestrichen
Zivilhaftung CSDDD Ja, mit Obergrenzen Nein (nationale Tort Laws) Nein
Gold-Plating Erlaubt (mit Begründung) Erlaubt (mit Konsultation) Verboten
Betroffene Unternehmen EU ~15.000 (CSRD)
~5.000 (CSDDD)
~12.000 (CSRD)
~500 (CSDDD)
~2.000 (beide)
Politische Koalition EPP + S&D + Grüne EPP + Liberale + Teile S&D EPP + Rechte Fraktionen
Politische Brisanz: Die EPP hat informell Bereitschaft signalisiert, mit rechten Fraktionen zu kooperieren, um Szenario 3 durchzusetzen. Das wäre ein Bruch mit dem zentrischen Kurs der von der Leyen-Kommission – und würde die CSRD auf einen Bruchteil des ursprünglichen Scopes reduzieren.

Warum die EPP das Zünglein an der Waage ist

Die EPP (Europäische Volkspartei) ist mit 188 Sitzen die stärkste Fraktion im EU-Parlament. Für eine Mehrheit braucht es 353 Stimmen – die EPP muss also Koalitionen schmieden. Zwei Optionen stehen offen:

Option A: Zentrisches Bündnis (EPP + S&D + Grüne)
Ursula von der Leyen baute ihre zweite Amtszeit auf dieser Koalition auf. Sie führt zu Szenario 1 (Ambitioniert) oder Szenario 2 (Pragmatisch) – abhängig davon, wie viel die EPP den Sozialdemokraten entgegenkommt.

Option B: Rechts-Koalition (EPP + ID + ECR)
Informelle Voting-Listen deuten auf diese Variante hin. Sie führt zu Szenario 3 (Minimalistisch) – mit drastischen Schwellenerhöhungen und Gold-Plating-Verbot.

Investoren warnen: 211 institutionelle Investoren (6,6 Bio. EUR Assets under Management) haben in einem offenen Brief vor Verwässerung gewarnt: "Standardisierte ESG-Daten sind essentiell für fundierte Investitionsentscheidungen. Eine Reduzierung des Scopes schafft kritische Datenlücken."

NGO-Kritik: Sozialdemokraten und Grüne bezeichnen den EPP-Vorschlag als "Versuch, Europas Flaggschiff-Nachhaltigkeitsgesetze irrelevant zu machen". Die ECCJ (European Coalition for Corporate Justice) spricht von "Full-Scale Deregulation statt Simplification".

Was ihr jetzt tun müsst: Handlungsempfehlungen für alle Szenarien

Wartet nicht auf die Oktober-Abstimmung. Startet jetzt mit No-Regret-Moves, die in allen drei Szenarien Sinn ergeben – und bereitet euch parallel auf szenario-spezifische Maßnahmen vor.

No-Regret-Moves: Startet sofort, unabhängig vom Szenario

  1. Doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchführen
    Identifiziert relevante ESG-Themen für euer Geschäftsmodell – unabhängig von Reporting-Pflichten. Nutzt den Leitfaden zur doppelten Wesentlichkeitsanalyse für strukturierte Umsetzung.
  2. CO2-Bilanz erstellen (Scope 1+2, Scope 3 schrittweise)
    Eure Kunden und Investoren fragen bereits nach CO2-Daten – unabhängig von Berichtspflichten. Startet mit dem CO2-Bilanz-Leitfaden.
  3. ESG-Governance aufbauen
    Definiert Verantwortlichkeiten, etabliert Prozesse, schult Teams. Auch ohne Reporting-Pflicht braucht ihr interne Strukturen für ESG-Management.
  4. Value-Chain-Vorbereitung
    Sammelt ESG-Daten eurer wichtigsten Zulieferer. Nutzt den Scope 3 Quick Check, um relevante Kategorien zu identifizieren.
  5. Klimarisiken bewerten
    Physische und transitorische Risiken betreffen euch unabhängig von CSRD. Startet mit der Klimarisikoanalyse.

Szenario-spezifische Roadmap: Wann was tun?

Zeitraum Szenario 1: Ambitioniert Szenario 2: Pragmatisch Szenario 3: Minimalistisch
Jetzt - Okt 2025 No-Regret-Moves umsetzen (siehe oben)
Okt 2025 - Q1 2026 CSRD-Detailplanung starten CSRD-Detailplanung starten VSME freiwillig prüfen
Q1 - Q2 2026 Scope-3-Erfassung beginnen Scope-3-Erfassung beginnen Kundenanfragen-Prozess etablieren
H2 2026 - 2027 Dry-Run CSRD-Bericht + Assurance-Vorbereitung Dry-Run CSRD-Bericht ESG marktgetrieben weiterentwickeln
2028 Erster CSRD-Bericht (wenn 1.000+ MA) Erster CSRD-Bericht (wenn 1.000+ MA) Kein Reporting (außer 3.000+ MA)

Für Startups & Scale-ups: ESG als Finanzierungshebel

Die Wahrscheinlichkeit direkter Berichtspflicht sinkt – aber ESG bleibt euer Wettbewerbsvorteil:

Für Mittelstand: Pragmatische Szenario-Vorbereitung

Prüft mit dem CSRD Materiality Screening, in welchen Szenarien ihr betroffen seid. Dann:

  • Betroffen in allen 3 Szenarien (3.000+ MA, 450+ Mio. EUR)? Vollständige CSRD-Vorbereitung jetzt starten
  • Betroffen in Szenario 1+2 (1.000+ MA)? No-Regret-Moves + Szenario-Monitoring
  • Nur betroffen in Szenario 1 (<1.000 MA)? No-Regret-Moves, Details erst nach Oktober

Investiert in Klimarisiko-Management – steigende CO2-Preise und Extremwetterereignisse betreffen euch unabhängig von Berichtspflichten.

Für VCs & PE-Fonds: ESG als Deal-Differentiator

LP-Erwartungen bleiben bestehen – nutzt das als Vorteil:

Warum Investoren und Banken ESG-Daten brauchen – unabhängig vom Omnibus

Die Omnibus-Diskussion verstellt den Blick auf die entscheidende Frage: Marktdynamik überholt Regulierung. Investoren, Banken und Kunden fordern ESG-Daten – egal welche Schwellenwerte das Parlament beschließt.

Kapitalmarkt: 6,6 Bio. EUR Assets fordern ESG-Standards

211 institutionelle Investoren haben gemeinsam vor Omnibus-Verwässerung gewarnt. Ihre Kernbotschaft: "Standardisierte ESG-Daten sind essentiell für fundierte Investitionsentscheidungen." Die Zahlen sprechen für sich:

ESG-Outperformance in Zahlen:

VC/PE-Perspektive: Limited Partners fordern ESG-Integration – unabhängig vom CSRD-Status eurer Portfolio-Unternehmen. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) bleibt in Kraft, Article-8/9-Funds brauchen fundiertes ESG-Framework. Impact Carry wird zum Standard.

Banking-Perspektive: Die European Banking Authority (EBA) warnt, dass reduzierte CSRD-Scopes Banken kritische Daten vorenthalten würden – mit direkten Auswirkungen auf Kreditrisikobewertung. Unternehmen ohne ESG-Daten zahlen höhere Zinsen, unabhängig von Reporting-Pflichten.

Kundenerwartungen: B2B-Käufer fordern Value-Chain-Transparenz

Selbst im minimalistischen Szenario 3 bleiben tausende Großunternehmen CSRD-pflichtig. Diese fragen eure ESG-Daten ab – als Zulieferer müsst ihr liefern oder verliert Aufträge. Der Scope 3 Quick Check zeigt, welche Daten ihr bereithalten müsst.

Klimarisiken: Physisch und transitorisch – unabhängig von Compliance

Steigende CO2-Preise (EU ETS 2 ab 2027), Extremwetterereignisse und Stranded Assets betreffen alle Unternehmen – nicht nur berichtspflichtige. Wer Klimarisiken nicht managt, riskiert Wettbewerbsfähigkeit und Versicherbarkeit.

Die deutsche Perspektive: LkSG im Schatten des Omnibus

Das deutsche Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz (LkSG) gilt aktuell für Unternehmen mit 1.000+ Mitarbeitern. Die neue Bundesregierung (CDU-SPD) hat "Abschaffung" angekündigt – gemeint ist Harmonisierung mit der finalen EU-CSDDD, nicht ersatzlose Streichung.

Was das für euch bedeutet:

  • Szenario 1 oder 2: Deutschland kann LkSG beibehalten (Gold-Plating erlaubt)
  • Szenario 3: Gold-Plating-Verbot zwingt zur LkSG-Aufhebung
  • Praxis-Tipp: Baut LkSG-Strukturen nicht voreilig ab – Wahrscheinlichkeit ist hoch, dass sie mittelfristig wieder relevant werden

ESG-Förderung bleibt bestehen: Die 30% Superabschreibung für grüne Technologien und KfW-Programme bleiben unabhängig vom Omnibus – nutzt diese Anreize für freiwillige ESG-Investitionen.

Timeline: Wann was passiert

Zeitpunkt Ereignis Eure Aktion
April 2025 "Stop-the-Clock" beschlossen
(CSRD Wave 2 um 2 Jahre verzögert)
-
Jetzt - Okt 2025 Wartezeit bis Parlament-Abstimmung No-Regret-Moves umsetzen
Mitte Okt 2025 Parlament-Abstimmung (JURI Committee) Ergebnis analysieren, Szenario identifizieren
Okt - Dez 2025 Trilog-Verhandlungen (Kommission, Rat, Parlament) Szenario-spezifische Detailplanung
Q1 2026 Finaler Text veröffentlicht CSRD-Detailplanung starten (wenn betroffen)
Q2 2027 Nationale Umsetzung (12 Monate nach Veröffentlichung) Scope-3-Erfassung, Dry-Run-Bericht
2028 Erste CSRD-Berichte für Wave 2 (delayed) Erster CSRD-Bericht (wenn betroffen)

Häufige Fragen: Schnelle Antworten für eure Strategie

Stoppen wir jetzt die CSRD-Vorbereitung?

Nein. Selbst im minimalistischen Szenario 3 bleiben größere Scale-ups und Mittelständler (3.000+ MA) betroffen. Wichtiger: Investoren, Kunden und Banken fordern ESG-Daten – unabhängig von Reporting-Pflichten. Fahrt modularen Ansatz: Grundlagen aufbauen (Wesentlichkeitsanalyse, CO2-Bilanz), Detailarbeit erst nach Oktober.

Verschwindet das deutsche LkSG durch den Omnibus?

Kommt drauf an. Im Szenario 3 (EPP-Rechts) mit Gold-Plating-Verbot müsste Deutschland das LkSG aufheben. Im Szenario 1 oder 2 kann Deutschland das LkSG beibehalten. Die neue Bundesregierung hat "Abschaffung" angekündigt – gemeint ist Harmonisierung mit finaler EU-CSDDD, nicht ersatzlose Streichung.

Brauchen VCs noch ESG-Due-Diligence?

Ja, mehr denn je. LP-Erwartungen und SFDR-Anforderungen bleiben bestehen – unabhängig vom CSRD-Status eurer Portfolio-Unternehmen. ESG wird zum Differenzierungsfaktor im Fundraising. Nutzt ESG-Scoring als Wettbewerbsvorteil.

Welche Maßnahmen sind jetzt sicher sinnvoll?

Die No-Regret-Moves: Doppelte Wesentlichkeitsanalyse, CO2-Bilanzierung Scope 1+2, ESG-Governance, Value-Chain-Vorbereitung, Klimarisikobewertung. Diese Schritte zahlen sich in allen drei Szenarien aus – durch bessere Investor-Relations, Kundenakquise und Risikomanagement.

Was passiert mit bereits investierten CSRD-Budgets?

Nichts ist verloren. Aufgebaute Prozesse, Daten und Kompetenzen bleiben wertvoll für Investor-Relations, Kundenakquise und internes Management. Zudem ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass Berichtspflichten mittelfristig wieder steigen (politische Zyklen).

Bleiben Klimatransitionspläne Pflicht?

Wahrscheinlich vereinfacht. Kommission und Rat wollen sie beibehalten (mit Verzögerungen), EPP will sie freiwillig machen. Kompromiss: Klimatransitionspläne bleiben in CSRD Pflicht für berichtspflichtige Unternehmen, werden aber vereinfacht und an globale Standards (ISSB, TCFD) angelehnt.

Wie bereiten wir uns auf alle Szenarien vor?

Parallele Strategien: No-Regret-Moves sofort umsetzen, szenario-spezifische Details nach Oktober. Nutzt CSRD Materiality Screening, um eure Betroffenheit zu prüfen. Investiert in Grundlagen, die in allen Szenarien wertvoll sind.

Wann fällt die finale Entscheidung?

Timeline: Parlament-Abstimmung Mitte Oktober 2025 → Trilog-Verhandlungen bis Ende 2025 → Finaler Text frühestens Q1 2026 → Nationale Umsetzung 12 Monate später. Nutzt die Zeit für No-Regret-Moves statt abzuwarten.

Fazit: Handelt strategisch, nicht reaktiv

Die EPP steht vor einer Grundsatzentscheidung: Zentrisches Bündnis oder Rechts-Koalition? Die Antwort prägt Europas ESG-Landschaft für Jahre. Für euch bedeutet das: Strategische ESG-Integration darf nicht von politischen Mehrheiten abhängen.

Die wichtigsten Treiber – Investor-Erwartungen, Kundennachfrage, Klimarisiken, Talentgewinnung – bleiben unabhängig vom Omnibus-Ausgang bestehen. Unternehmen, die ESG als strategischen Hebel für Wachstum, Innovation und Risikomanagement nutzen, gewinnen – egal welche Fraktion in Brüssel die Mehrheit hat.

Nächste Schritte für eure ESG-Strategie

  1. Prüft eure Betroffenheit: CSRD Materiality Screening nutzen
  2. Startet No-Regret-Moves: Wesentlichkeitsanalyse, CO2-Bilanz, ESG-Governance
  3. Bereitet drei Szenarien vor: Modulare Roadmap statt Abwarten
  4. Nutzt ESG als Wettbewerbsvorteil: Investor-Relations, Kundenakquise, Talent
  5. Holt strategische Beratung: Strategiegespräch buchen

Wer jetzt in robuste ESG-Strukturen investiert, ist für alle drei Szenarien gerüstet – von minimaler Compliance (Szenario 3) über pragmatische Berichterstattung (Szenario 2) bis zu ambitionierter ESG-Integration (Szenario 1). Die Gewinner sind diejenigen, die ESG als strategischen Vorteil sehen, nicht als regulatorische Last.

Quellen

  • European Commission (2025). Omnibus I simplification package. COM(2025) 80-81.
  • European Council (2025). Council agrees position on sustainability reporting and due diligence requirements. Press release, 23 June 2025.
  • European Parliament (2025). Legislative train schedule: Omnibus I - sustainability reporting. JURI Committee, Rapporteur Jörgen Warborn (EPP, SE).
  • Principles for Responsible Investment (2025). Investor statement on EU Omnibus package.
  • European Banking Federation (2025). EBF position on Omnibus simplification package.
  • Opinio Juris (2025). Death by Omnibus? The European Commission's Proposal and the Fate of the CSDDD (Part II).
  • Accountancy Europe (2025). Omnibus explained: key changes to CSRD and CSDDD.
  • Linklaters (2025). EU: Commission publishes first Omnibus package with changes to CSRD and CSDDD.
  • Frank Bold (2025). The Commission's Omnibus proposal: What's at stake for the EU sustainability framework.

Weiterführende Ressourcen:

Johannes Fiegenbaum

Johannes Fiegenbaum

Ein unabhängiger Berater, der Unternehmen hilft, die Zukunft zu gestalten und langfristiges Wachstum zu erreichen.

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