Skip to content
27 min Lesezeit

Ein Überblick über die ESRS-Standards: Die wichtigsten Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der CSRD

Featured Image

Ein Überblick über die ESRS-Standards: Die wichtigsten Regeln für die Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der CSRD

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) definieren seit 2024 die Spielregeln für Nachhaltigkeitsberichterstattung in Europa. Für Unternehmen, die unter die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fallen, bedeuten die ESRS einen Paradigmenwechsel: Von freiwilligen Nachhaltigkeitsberichten zu standardisierter, prüfpflichtiger ESG-Berichterstattung mit klaren Disclosure Requirements.

Die ESRS 1 und ESRS 2 bilden dabei das Fundament – ergänzt durch themenspezifische Standards zu Umwelt, Soziales und Unternehmensführung. Dieser Leitfaden erklärt die ESRS-Standards im Detail, zeigt Implementierungsstrategien für unterschiedliche Unternehmensgrößen auf und ordnet die regulatorischen Anforderungen strategisch ein.

Dieser Artikel richtet sich an Nachhaltigkeitspraktiker und Compliance-Verantwortliche. Einen strategischen Überblick für Führungskräfte findet ihr in diesem Artikel.

Executive Summary: Die ESRS-Standards in 60 Sekunden

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind das zentrale Regelwerk für EU-Nachhaltigkeitsberichterstattung im Rahmen der Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD). Die von der European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) entwickelten ESRS-Nachhaltigkeitsberichtsstandards umfassen:

  • ESRS 1 (Allgemeine Anforderungen) und ESRS 2 (Allgemeine Angaben) als Pflichtstandards

  • Set 1 ESRS: Fünf Umweltstandards (E1-E5), vier Sozialstandards (S1-S4), ein Governance-Standard (G1)

  • Set 2 ESRS (in Entwicklung): Sektorspezifische Standards und KMU-Standards (VSME)

  • Anwendung ab 2024 (gestuft nach Unternehmensgröße)

Die ESRS-Standards unterscheiden sich fundamental von bisherigen Rahmenwerken: Sie sind EU-rechtlich verbindlich, fordern doppelte Materialität (Inside-out und Outside-in Perspektive) und verlangen prüfpflichtige Berichterstattung mit XBRL-Taxonomie-Tagging.

Was versteht man unter ESRS? Die European Sustainability Reporting Standards erklärt

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind das von der Europäischen Kommission verabschiedete Regelwerk für standardisierte Nachhaltigkeitsberichterstattung. Im Gegensatz zu freiwilligen Frameworks wie GRI oder CDP sind die ESRS rechtsverbindliche Berichtsstandards, die über die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) durchgesetzt werden.

Kerncharakteristika der ESRS-Standards

Die ESRS-Nachhaltigkeitsberichtsstandards unterscheiden sich in mehreren Dimensionen von bisherigen Ansätzen:

1. Rechtsverbindlichkeit statt Freiwilligkeit
Die ESRS sind nicht optional – sie sind durch EU-Richtlinie rechtsverbindlich. Unternehmen müssen die Disclosure Requirements der ESRS-Standards erfüllen, sofern diese nach doppelter Materialitätsanalyse als wesentlich eingestuft werden.

2. Doppelte Materialität als Grundprinzip
Die ESRS verlangen die Betrachtung von Nachhaltigkeitsthemen aus zwei Perspektiven: Inside-out (Wie beeinflusst das Unternehmen Umwelt und Gesellschaft?) und Outside-in (Wie beeinflussen Nachhaltigkeitsrisiken das Unternehmen finanziell?). Dieser Ansatz geht deutlich über reine Risiko-Berichterstattung hinaus.

3. Granularität und Detailtiefe
Die ESRS-Standards definieren über 1.000 einzelne Datenpunkte, die in 82 Disclosure Requirements organisiert sind. Durch das EU Omnibus-Paket 2025 wurden diese Anforderungen um 32% reduziert – dennoch bleibt die Berichterstattung deutlich umfangreicher als bisherige Standards.

Die Rolle von EFRAG in der ESRS-Entwicklung

Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) – vollständig: Financial Reporting Advisory Group EFRAG – ist die technische Expertengruppe, die die ESRS-Standards im Auftrag der EU-Kommission entwickelt hat. EFRAG berät die Europäische Kommission auch bei der Weiterentwicklung der Standards, insbesondere für Set 2 (sektorspezifische ESRS und VSME-Standard).

📊 CSRD Materiality Screening

Führe in 5 Minuten eine erste Double Materiality Bewertung durch – mit der interaktiven EFRAG 2025 Matrix und Top-Down Ansatz.

✓ Drag & Drop Interface für alle 7 ESRS-Kernthemen
✓ Visuelle Vier-Quadranten-Matrix mit sofortiger Auswertung
✓ Export-Funktion für interne Diskussionen und Dokumentation

Materialitätsanalyse starten →

Nach EFRAG 2025 Standards • 68% weniger Datenpunkte • Interaktive Bewertung

Was ist der Unterschied zwischen ESRS und CSRD?

Die Begriffe ESRS und CSRD werden häufig verwechselt – dabei beschreiben sie unterschiedliche Ebenen der EU-Nachhaltigkeitsregulierung:

CSRD: Die Richtlinie

Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) ist eine EU-Richtlinie (Directive 2022/2464/EU), die das Ob und Wer der Nachhaltigkeitsberichterstattung regelt:

  • Definiert, welche Unternehmen berichtspflichtig sind

  • Legt Zeitpläne und Übergangsfristen fest

  • Bestimmt Prüfungspflichten (Limited Assurance → Reasonable Assurance)

  • Regelt Sanktionen bei Nicht-Compliance

Die CSRD ist das Nachhaltigkeitsäquivalent zur Bilanzrichtlinie – sie schreibt vor, dass berichtet werden muss, nicht jedoch wie. Weitere Informationen zum CSRD-Bericht 2025.

ESRS: Die Standards

Die European Sustainability Reporting Standards (ESRS) sind die technischen Berichtsstandards, die das Wie und Was regeln:

  • Definieren konkrete Disclosure Requirements

  • Spezifizieren erforderliche Datenpunkte

  • Strukturieren die Nachhaltigkeitsinformationen

  • Ermöglichen Vergleichbarkeit zwischen Unternehmen

Das Zusammenspiel: CSRD verpflichtet zur ESRS-Berichterstattung

Die CSRD-Richtlinie legt fest, dass berichtspflichtige Unternehmen ihre Nachhaltigkeitsberichterstattung nach den ESRS-Standards strukturieren müssen. Die ESRS sind damit das "technische Werkzeug" zur Erfüllung der CSRD-Pflichten – vergleichbar mit HGB und IFRS im Finanzreporting.

Kritisch: Die CSRD ist als EU-Richtlinie in nationales Recht umzusetzen (in Deutschland über CSR-Richtlinie-Umsetzungsgesetz), während die ESRS als Teil eines delegierten Rechtsakts direkt in allen EU-Mitgliedstaaten gelten.

Welche ESRS sind Pflicht? Die Struktur der Berichtsstandards

Die ESRS-Standards folgen einer zweistufigen Architektur mit Pflichtstandards und materialitätsbasierten Standards:

Immer verpflichtend: ESRS 1 und ESRS 2

Zwei Standards gelten ohne Materialitätsprüfung für alle CSRD-pflichtigen Unternehmen:

ESRS 1 - Allgemeine Anforderungen

  • Definiert Berichtsgrundsätze (Relevanz, Vergleichbarkeit, Vollständigkeit)

  • Erklärt das Konzept der doppelten Materialität

  • Legt Berichtsstruktur und -zyklus fest

  • Regelt Wertschöpfungsketten-Berichterstattung

ESRS 2 - Allgemeine Angaben

  • Governance-Struktur für Nachhaltigkeit

  • Strategie und Geschäftsmodell

  • Stakeholder-Einbindung

  • Wesentlichkeitsanalyse-Dokumentation

  • Richtlinien und Ziele (IROs - Impacts, Risks, Opportunities)

Die ESRS 2 Allgemeine Angaben sind damit das Herzstück jedes ESRS-konformen Nachhaltigkeitsberichts – unabhängig davon, welche themenspezifischen ESRS das Unternehmen zusätzlich anwendet.

Materialitätsbasiert: ESRS E1-E5, S1-S4, G1

Die zehn themenspezifischen Standards des ESRS Set 1 gelten nur, wenn die entsprechenden Themen in der doppelten Wesentlichkeitsanalyse als material identifiziert wurden:

Umwelt-Standards (Environment)

  • ESRS E1 Klimawandel – Treibhausgasemissionen, Klimarisiken, Transition Plans

  • ESRS E2 Umweltverschmutzung – Luftqualität, Wasser, Boden, Substanzen of Concern

  • ESRS E3 Wasser- und Meeresressourcen – Wasserverbrauch, Wasserrisiken, Meeresökosysteme

  • ESRS E4 Biodiversität und Ökosysteme – Naturkapital, Landnutzung, Artenschutz

  • ESRS E5 Ressourcennutzung und Kreislaufwirtschaft – Materialeffizienz, Abfall, Kreislaufmodelle

Besonderheit ESRS E1 Klimawandel: Dieser Standard gilt faktisch für fast alle Unternehmen als material – die EU-Kommission geht davon aus, dass nur in Ausnahmefällen Klimawandel als nicht-material eingestuft werden kann. Mehr Details zur Klimarisikoanalyse für Unternehmen.

Sozial-Standards (Social)

  • ESRS S1 Eigene Belegschaft – Arbeitnehmerrechte, Arbeitsbedingungen, Diversity

  • ESRS S2 Arbeitnehmer in der Wertschöpfungskette – Lieferkettenstandards, Forced Labor

  • ESRS S3 Betroffene Gemeinschaften – Lokale Communities, Indigenous Peoples

  • ESRS S4 Verbraucher und Endnutzer – Produktsicherheit, Datenschutz, verantwortungsvolle Kommunikation

Governance-Standards (Governance)

  • ESRS G1 Unternehmensführung – Geschäftsethik, Korruptionsbekämpfung, Lobbying, Lieferantenbeziehungen

Sektorspezifische ESRS (Set 2) – in Entwicklung

EFRAG entwickelt derzeit Set 2 ESRS mit branchenspezifischen Standards für Sektoren wie:

  • Finanzdienstleistungen

  • Landwirtschaft und Lebensmittel

  • Textilien

  • Energie und Bergbau

  • Transport

Die EU-Kommission hat die Verabschiedung dieser sektorspezifischen ESRS auf 2026 verschoben – Unternehmen berichten zunächst nur nach Set 1 ESRS.

Welche Unternehmen sind ESRS-pflichtig? Der Anwendungsbereich der CSRD

Die CSRD erweitert die Berichtspflicht massiv gegenüber der bisherigen NFRD (Non-Financial Reporting Directive). Die ESRS-Berichterstattung erfolgt gestuft:

Phase 1 (Berichtsjahr 2024, Berichterstattung 2025) – Unverändert

Große Kapitalgesellschaften und Personenhandelsgesellschaften, die bereits unter NFRD berichtspflichtig waren:

  • Börsennotierte Unternehmen mit >500 Mitarbeitern

  • Banken und Versicherungen (unabhängig von Börsennotierung)

  • Etwa 2.000 Unternehmen in Deutschland

Status: Diese Gruppe berichtet wie geplant – keine Verschiebung durch Stop-the-Clock.

Phase 2 (Berichtsjahr 2027, Berichterstattung 2028) – VERSCHOBEN

Große Unternehmen, die nicht bereits NFRD-pflichtig waren und mindestens zwei der drei Kriterien erfüllen:

  • Bilanzsumme >20 Mio. EUR

  • Nettoumsatzerlöse >40 Mio. EUR

  • Durchschnittlich >250 Mitarbeiter

Kritische Änderung: Die Stop-the-Clock-Richtlinie der EU-Kommission verschiebt die Berichtspflicht um zwei Jahre – von ursprünglich Geschäftsjahr 2025 auf Geschäftsjahr 2027. Dies betrifft etwa 13.000 zusätzliche Unternehmen in Deutschland, darunter viele Mittelständler und Familienunternehmen.

Phase 3 (Berichtsjahr 2028, Berichterstattung 2029) – VERSCHOBEN

Börsennotierte KMU (mit Ausnahme von Kleinstunternehmen), die zwei der drei Kriterien erfüllen:

  • Bilanzsumme >4 Mio. EUR

  • Nettoumsatzerlöse >8 Mio. EUR

  • Durchschnittlich >50 Mitarbeiter

Kritische Änderung: Auch hier greift Stop-the-Clock – Verschiebung um zwei Jahre auf Geschäftsjahr 2028 (Berichterstattung 2029). Diese Unternehmen können den vereinfachten VSME-Standard (Voluntary SME Standard) nutzen – mehr dazu im VSME-Leitfaden.

Indirekte Berichtspflicht: Lieferkettenanforderungen

Auch nicht-berichtspflichtige Unternehmen sind indirekt betroffen: Wenn sie Zulieferer von CSRD-pflichtigen Unternehmen sind, müssen sie Nachhaltigkeitsinformationen für die Scope-3-Berichterstattung ihrer Kunden bereitstellen. Praktisch bedeutet dies:

  • B2B-Zulieferer großer Konzerne benötigen Product Carbon Footprints

  • ESG-Fragebögen von Kunden werden umfangreicher und standardisierter

  • Mittelständler ohne formale CSRD-Pflicht müssen faktisch ESRS-konforme Daten erfassen

Detaillierte ESRS-Struktur: Themen, Unterthemen und Disclosure Requirements

Die ESRS-Standards folgen einer hierarchischen Struktur, die von abstrakten Themen zu konkreten, messbaren Datenpunkten führt:

Strukturebene 1: Themen (Topics)

Die oberste Ebene umfasst die zehn Sustainability Reporting Standards des Set 1 (E1-E5, S1-S4, G1) plus die beiden querschnittlichen Standards (ESRS 1 Allgemeine Anforderungen, ESRS 2 Allgemeine Angaben).

Strukturebene 2: Unterthemen (Sub-Topics)

Jeder thematische ESRS-Standard gliedert sich in Unterthemen. Beispiel ESRS E1 Klimawandel:

  • Klimaschutz (Climate Change Mitigation)

  • Klimaanpassung (Climate Change Adaptation)

  • Energie (Energy)

Strukturebene 3: Disclosure Requirements (DR)

Jedes Unterthema enthält spezifische Disclosure Requirements, die konkrete Berichtspflichten definieren. Die ESRS 1 Allgemeine Anforderungen strukturieren diese in fünf Kategorien:

  • GOV (Governance) – Governance-Strukturen für das Nachhaltigkeitsthema

  • SBM (Strategy and Business Model) – Strategische Integration

  • IRO (Impacts, Risks, Opportunities) – Wesentliche Auswirkungen, Risiken, Chancen

  • Policies – Richtlinien und Managementansätze

  • Actions & Metrics – Maßnahmen, Ziele und Messgrößen

Strukturebene 4: Datenpunkte (Data Points)

Jedes Disclosure Requirement besteht aus mehreren Datenpunkten – insgesamt ursprünglich über 1.000, nach dem EU Omnibus-Paket 2025 reduziert auf etwa 700.

Beispiel: ESRS E1-1 Transition Plan for Climate Change Mitigation

Dieses Disclosure Requirement verlangt unter anderem:

  • Dekarbonisierungsziele mit Zeithorizont

  • Geplante Maßnahmen zur Emissionsreduktion (nach Scope 1, 2, 3)

  • Finanzielle Ressourcen für Transition (CapEx/OpEx)

  • Abhängigkeit von Carbon Offsets und deren Glaubwürdigkeit

  • Lock-in von emissionsintensiven Assets

  • Annahmen zu technologischen Entwicklungen

ESRS-Implementierung: Schritt-für-Schritt-Prozess für die Nachhaltigkeitsberichterstattung

Die Implementierung der ESRS-Standards erfordert einen strukturierten Ansatz, der weit über die reine Datenerfassung hinausgeht. Die European Financial Reporting Advisory Group (EFRAG) empfiehlt folgenden Prozess:

Phase 1: Strategische Vorbereitung (3-6 Monate)

Schritt 1: ESRS-Anforderungen analysieren und priorisieren

  • Detailliertes Mapping der 82 Disclosure Requirements gegen aktuelle Berichtspraxis

  • Identifikation von "Quick Wins" (bereits verfügbare Daten) und "Deep Gaps" (fehlende Prozesse)

  • Einordnung der ESRS 1 Allgemeine Anforderungen und ESRS 2 Allgemeine Angaben als Fundament

  • Abgleich mit parallelen Rahmenwerken (EU-Taxonomie, TCFD, GRI) zur Nutzung von Synergien

Kritischer Erfolgsfaktor: Die Analyse sollte nicht nur Compliance-orientiert sein, sondern auch strategische Chancen identifizieren – etwa zur Differenzierung im Wettbewerb oder zur Sicherung von Green Finance.

Schritt 2: Governance-Strukturen etablieren

Die ESRS verlangen explizite Berichterstattung über Nachhaltigkeits-Governance (ESRS 2 GOV). Unternehmen müssen implementieren:

  • Verankerung von ESG-Verantwortung auf Vorstandsebene

  • Funktionsübergreifendes Nachhaltigkeits-Komitee (Sustainability Committee)

  • Klare Rollen und Verantwortlichkeiten (RACI-Matrix) für Datenerfassung

  • Integration in Risk-Management-Systeme

Phase 2: Double Materiality Assessment (2-4 Monate)

Schritt 3: Doppelte Wesentlichkeitsanalyse durchführen

Das Double Materiality Assessment ist das Herzstück der ESRS-Berichterstattung. Im Gegensatz zu finanzieller Wesentlichkeit (Outside-in) verlangt die Inside-out-Perspektive die Bewertung gesellschaftlicher und ökologischer Auswirkungen:

Impact Materiality (Inside-out)

  • Bewertung von Unternehmensaktivitäten auf Menschen und Umwelt

  • Positive und negative Impacts in der gesamten Wertschöpfungskette

  • Zeitliche Dimension: Aktuelle, vergangene und potenzielle zukünftige Impacts

  • Schwellenwert: Relevant sind auch Impacts, die nicht finanziell material sind

Financial Materiality (Outside-in)

  • Nachhaltigkeitsrisiken mit Auswirkung auf Cashflows, Finanzierung, Unternehmenswert

  • Transitionsrisiken (Policy, Technologie, Märkte, Reputation)

  • Physische Klimarisiken (Akut und chronisch)

  • Chancen durch nachhaltige Geschäftsmodelle

Ein Thema gilt als material, wenn es entweder impact-material oder finanziell material ist. Die Schwelle für Impact Materiality liegt deutlich niedriger als bei bisherigen Frameworks – hier zeigt sich der fundamental andere Ansatz der ESRS.

Schritt 4: Stakeholder-Einbindung strukturieren

ESRS 2 verlangt die Dokumentation des Stakeholder-Engagement-Prozesses:

  • Identifikation relevanter Stakeholder-Gruppen (Mitarbeiter, Kunden, NGOs, Investoren, Kommunen)

  • Strukturierte Befragungen zur Impact-Materialität

  • Integration in Materialitäts-Matrix

  • Kontinuierliches Monitoring von Stakeholder-Erwartungen

Phase 3: Gap-Analyse und Datenarchitektur (2-3 Monate)

Schritt 5: Systematische Lückenanalyse

Nach der Materialitätsanalyse erfolgt die detaillierte Gap-Analyse für die als material identifizierten ESRS:

Daten-Gaps

  • Fehlende Kennzahlen (z.B. Scope-3-Emissionen, Biodiversitäts-Footprint)

  • Unzureichende Datenqualität (Schätzungen statt Messungen)

  • Fehlende Wertschöpfungsketten-Transparenz

Prozess-Gaps

  • Keine systematische Datenerfassung (z.B. Energieverbrauch nur jährlich vom Versorger)

  • Manuelle Excel-basierte Prozesse ohne Audit-Trail

  • Fehlende IT-Integration (ESG-Daten isoliert von ERP/Controlling)

Policy-Gaps

  • Fehlende Richtlinien zu ESRS-relevanten Themen (z.B. Menschenrechts-Policy)

  • Keine dokumentierten Ziele oder Maßnahmenpläne

  • Unklare Verantwortlichkeiten in der Wertschöpfungskette

Für KMU oder Mittelständler kann der Scope 3 Quick Check ein pragmatischer Startpunkt sein.

Schritt 6: ESG-Dateninfrastruktur aufbauen

Die ESRS-Standards verlangen revisionssichere, nachvollziehbare Datenerfassung. Unternehmen müssen entscheiden zwischen:

Build: Eigenentwicklung/ERP-Integration

  • Vorteil: Perfekte Integration in bestehende Systeme

  • Nachteil: Hoher Entwicklungsaufwand, langsame Anpassung an regulatorische Updates

  • Passt für: Große Konzerne mit starken IT-Ressourcen

Buy: Spezialisierte ESG-Software

  • Vorteil: Vorkonfigurierte ESRS-Templates, schneller Start

  • Nachteil: Zusätzliches System, Integrationsaufwand

  • Passt für: Mittelständler ohne tiefe ESG-IT-Expertise

Hybrid: APIs und modulare Lösungen

  • Nutzung spezialisierter APIs für Teilbereiche (z.B. Carbon Accounting, Supply Chain Mapping)

  • Integration via ESG-Datenplattformen

  • Flexibel skalierbar

Mehr zur technischen Umsetzung in unserem Leitfaden zu CO2-Bilanzierung: Methoden, Tools und Best Practices.

Phase 4: Erstberichterstattung und Continuous Improvement

Schritt 7: ESRS-konformen Bericht erstellen

Der erste CSRD-konforme Nachhaltigkeitsbericht folgt der Struktur der ESRS-Standards:

  • ESRS 2 Allgemeine Angaben als Fundament (Governance, Strategie, Wesentlichkeitsanalyse)

  • Für jedes materiale Thema: Spezifische Disclosure Requirements aus E1-E5, S1-S4, G1

  • Verzahnung mit Lagebericht (Management Report) gemäß EU-Vorgaben

  • Digitales Tagging via XBRL-Taxonomie für ESAP-Einspeisung

Schritt 8: Externe Prüfung vorbereiten

Ab dem ersten Berichtsjahr ist Limited Assurance (begrenzte Prüfungssicherheit) verpflichtend – ab 2028 wird schrittweise auf Reasonable Assurance (hinreichende Prüfungssicherheit) erweitert. Unternehmen sollten:

  • Interne Kontrollen (IKS) für ESG-Daten aufbauen

  • Dokumentation von Berechnungsmethoden und Annahmen

  • Frühzeitige Einbindung der Wirtschaftsprüfer

  • Mock-Audits zur Identifikation von Schwachstellen

VSME-Standard: Vereinfachte ESRS für kleine und mittlere Unternehmen

Für börsennotierte KMU (Phase 3) entwickelte EFRAG den Voluntary SME Standard (VSME) – einen vereinfachten Berichtsstandard mit deutlich reduzierten Anforderungen:

VSME-Module: Basic vs. Comprehensive

Der VSME-Standard existiert in zwei Ausbaustufen:

VSME Basic

  • Circa 30 Datenpunkte (statt 700+ bei vollständigen ESRS)

  • Fokus auf wesentliche Nachhaltigkeitsthemen

  • Vereinfachte Wertschöpfungsketten-Berichterstattung

  • Geeignet für KMU ohne dedizierte Nachhaltigkeitsabteilung

VSME Comprehensive

  • Circa 50 Datenpunkte

  • Erweiterte Berichterstattung zu Governance und Strategie

  • Detailliertere quantitative Kennzahlen

  • Brücke zu vollständigen ESRS bei Unternehmenswachstum

Mehr Details im Leitfaden zur VSME-Einführung.

Strategische Überlegungen für KMU

Auch nicht-börsennotierte KMU können den VSME freiwillig anwenden – insbesondere wenn:

  • Zulieferer CSRD-pflichtiger Unternehmen (Scope-3-Datenlieferung)

  • Vorbereitung auf künftiges Wachstum über Schwellenwerte

  • Differenzierung im Wettbewerb durch standardisierte ESG-Kommunikation

  • Erleichterung des Zugangs zu Sustainable Finance

Stop-the-Clock: Offizielle Fristverschiebungen schaffen Implementierungsspielraum

Im Dezember 2024 verabschiedete die EU-Kommission die Stop-the-Clock-Richtlinie – eine fundamentale Verschiebung der CSRD/ESRS-Berichtspflichten, die den Druck auf Unternehmen signifikant reduziert. Diese Entscheidung kam nach intensivem Lobbying von Unternehmensverbänden, die auf Umsetzungsschwierigkeiten und fehlende technische Infrastruktur hinwiesen.

Konkrete Fristverschiebungen durch Stop-the-Clock

1. Große Unternehmen (Phase 2): +2 Jahre Aufschub

  • Alt: Berichtsjahr 2025, Veröffentlichung 2026

  • Neu: Berichtsjahr 2027, Veröffentlichung 2028

  • Betrifft: Etwa 13.000 Unternehmen in Deutschland, die nicht bereits unter NFRD berichtspflichtig waren

  • Kriterien unverändert: >250 Mitarbeiter ODER >40 Mio. EUR Umsatz ODER >20 Mio. EUR Bilanzsumme (zwei von drei)

2. Börsennotierte KMU (Phase 3): +2 Jahre Aufschub

  • Alt: Berichtsjahr 2026, Veröffentlichung 2027

  • Neu: Berichtsjahr 2028, Veröffentlichung 2029

  • Betrifft: Börsennotierte KMU mit >50 Mitarbeitern ODER >8 Mio. EUR Umsatz ODER >4 Mio. EUR Bilanzsumme (zwei von drei)

  • VSME-Standard anwendbar: Vereinfachte Berichterstattung bleibt Option

3. Keine Verschiebung für NFRD-Unternehmen (Phase 1)

  • Bereits NFRD-pflichtige Unternehmen (>500 Mitarbeiter, börsennotiert) berichten wie geplant ab Geschäftsjahr 2024

  • Banken und Versicherungen: Keine Verschiebung

  • Diese Gruppe hatte bereits Jahre zur Vorbereitung seit der NFRD-Einführung

Zusätzliche CSDDD-Verschiebungen

Parallel zur CSRD-Verschiebung wurde auch die Corporate Sustainability Due Diligence Directive (CSDDD) angepasst:

  • Einzelne Pflichten für die größten Unternehmen um ein Jahr verschoben

  • Erleichtert koordinierte Compliance mit CSRD/ESRS und CSDDD

  • Verhindert parallelen Implementierungsstress bei Lieferketten-Due-Diligence und Nachhaltigkeitsberichterstattung

Strategische Implikationen: Chance oder Risiko?

Die Stop-the-Clock-Verschiebungen sind ambivalent zu bewerten:

Pro: Pragmatischer Realismus

  • Mehr Vorbereitungszeit: Unternehmen können ESG-Dateninfrastruktur ohne Zeitdruck aufbauen

  • Technologie-Reife: ESG-Software-Anbieter haben Zeit, ESRS-konforme Lösungen zu entwickeln

  • Kapazitätsengpässe vermeiden: Wirtschaftsprüfer und Berater waren für 2026 bereits überbucht

  • Parallele Regulierung koordinieren: Synchronisierung mit CSDDD, EU-Taxonomie, SFDR

Contra: Gefahr des Momentum-Verlusts

  • Verzögerte Transparenz: Zwei Jahre weniger Nachhaltigkeitsdaten für Investoren und Stakeholder

  • Wettbewerbsnachteil: Unternehmen, die bereits ESG-Infrastruktur haben, verlieren First-Mover-Vorteil

  • Politisches Signal: Stop-the-Clock könnte als Zurückrudern bei Nachhaltigkeitsambitionen interpretiert werden

  • Procrastination-Risiko: Unternehmen könnten Vorbereitung weiter hinauszögern

Was bedeutet Stop-the-Clock für deine Vorbereitung?

Für Phase-2-Unternehmen (neu: Bericht 2028)

  • Nutze die Zeit strategisch: Statt Hektik-Compliance jetzt fundierte ESG-Strategie entwickeln

  • Gestaffelter Aufbau: 2025 Materialitätsanalyse, 2026 Dateninfrastruktur, 2027 Mock-Report

  • Aber: Nicht in Passivität verfallen – Kunden, Investoren und Lieferanten fordern ESG-Daten auch ohne formale Berichtspflicht

Für börsennotierte KMU (neu: Bericht 2029)

  • Vier Jahre Vorbereitungszeit eröffnen Opportunity für VSME-Pilotprojekte

  • Zeit für schrittweise ESG-Integration ohne disruptive Transformation

  • Aber: Größere Kunden werden Supply-Chain-Daten bereits früher verlangen

Für Phase-1-Unternehmen (keine Verschiebung)

  • Bleiben Vorreiter – können Lessons Learned monetarisieren (z.B. Beratung von Zulieferern)

  • Wettbewerbsvorteil durch frühere Transparenz gegenüber Investoren

  • Profitieren von weniger überlasteten Prüfern und Beratern

💡 Praxis-Tipp: Stop-the-Clock als strategisches Fenster nutzen

Die Verschiebung ist kein Freifahrtschein zum Nichtstun. Unternehmen, die jetzt strategisch vorbereiten, können:

  • ESG-Quick-Wins identifizieren (Energieeffizienz, Lieferantenkonsolidierung)

  • Dateninfrastruktur ohne Zeitdruck aufbauen

  • Pilotprojekte mit Light-Touch-Materialitätsanalysen starten

  • Bei Finanzierungsrunden oder M&A bereits ESRS-Readiness demonstrieren

EU Omnibus-Paket 2025: Flexibilität und Datenpunkt-Reduktion

Parallel zu Stop-the-Clock verabschiedete die EU-Kommission im Juni 2025 das Omnibus-Paket – eine substanzielle Überarbeitung der ESRS-Standards selbst, die die Anforderungen (nicht die Fristen) vereinfacht. Zusammen mit Stop-the-Clock ergibt sich ein Zwei-Säulen-Ansatz: Mehr Zeit + weniger Komplexität.

Zentrale Änderungen durch das Omnibus-Paket

1. Massive Datenpunkt-Reduktion: -32% bis -68%

  • Ursprünglich: Über 1.000 verpflichtende Datenpunkte

  • Omnibus 1.0 (Juni 2025): Reduktion auf ~700 Datenpunkte (-32%)

  • Omnibus 2.0 (November 2025): Weitere Reduktion für erste Berichtsjahre auf ~400 Datenpunkte (-68% vs. Original)

  • Fokus: Streichung redundanter Anforderungen, Zusammenlegung ähnlicher Disclosure Requirements

2. Temporäre Ausnahmen für ESRS E4 und Sozialstandards (2025-2026)

Für die Berichtsjahre 2025 und 2026 können Unternehmen von bestimmten Angaben absehen:

  • ESRS E4 Biodiversität und Ökosysteme:

    • Keine verpflichtende Quantifizierung von Biodiversitäts-Impacts

    • Qualitative Beschreibungen ausreichend

    • Transition Plans für Biodiversität optional

    • Begründung: Methodische Unreife und Datenverfügbarkeit

  • Sozialstandards (S1-S4):

    • Vereinfachte Berichterstattung zu eigener Belegschaft (S1)

    • Reduzierte Anforderungen bei Wertschöpfungsketten-Arbeitnehmerrechten (S2)

    • Pragmatischere Schwellenwerte für Community-Impacts (S3)

    • Übergangsfristen für Supply-Chain-Due-Diligence-Integration

3. Angehobene Schwellenwerte und verlängerte Übergangsfristen

  • Mitarbeiterzahl-Schwelle: Diskutierte Anhebung von 250 auf 500 Mitarbeiter für Phase 2 (noch nicht final beschlossen)

  • Umsatzschwelle: Mögliche Anhebung von 40 Mio. EUR auf 50 Mio. EUR

  • Übergangsfristen: Verlängerte Phase-in für komplexe Disclosure Requirements (z.B. Scope 3 gestaffelt)

  • Kleinere Unternehmen-Klausel: Unternehmen knapp über Schwellenwerten erhalten zusätzliche Erleichterungen

4. Sonderregelungen für Unternehmen bis 750 Beschäftigte

Besonders relevant: Neue Erleichterungen für mittelgroße Unternehmen (250-750 Mitarbeiter), die auch für größere Unternehmen in ersten Berichtsjahren gelten können:

  • Reduzierte Wertschöpfungsketten-Berichterstattung:

    • Scope-3-Emissionen: Erst ab Jahr 2 verpflichtend (statt Jahr 1)

    • Vereinfachte Lieferanten-Assessments (qualitativ statt quantitativ)

    • Keine vollständige Supply-Chain-Mapping-Pflicht in Jahr 1

  • Flexibilität bei Datenpunkten:

    • "Nicht verfügbar"-Kennzeichnung erlaubt, wenn Datenerfassung unverhältnismäßig aufwendig

    • Schätzungen explizit erlaubt mit Dokumentation der Methodik

    • Stufenweiser Aufbau von Dateninfrastruktur statt Big-Bang-Approach

  • Vereinfachte Prüfungsanforderungen:

    • Limited Assurance fokussiert auf Kernbereiche (E1, S1, Governance)

    • Reduzierte Dokumentationsanforderungen für interne Kontrollen

    • Pragmatischere Audit-Trails bei dezentraler Datenerfassung

Diese Regelung ist übergangsweise auch für größere Unternehmen anwendbar – konkret: Unternehmen mit 750-1.000 Mitarbeitern können diese Erleichterungen in den ersten beiden Berichtsjahren nutzen.

5. Erweiterte Flexibilität bei Nicht-Materialität

  • Klarstellung: Unternehmen müssen nur zu materialen Themen detailliert berichten

  • Vereinfachte Begründung: Kürzere Erklärung bei Nicht-Materialität ausreichend (keine seitenlangen Analysen)

  • Materialitäts-Schwellen: Pragmatischere Anwendung der Wesentlichkeitskriterien

  • Reduktion "Comply or Explain"-Druck: Weniger Rechtfertigungszwang bei nicht-materialen Themen

6. Gestaffelte Scope-3-Berichterstattung (konkretisiert)

  • Jahr 1: Nur Scope 1 und 2 verpflichtend

  • Jahr 2: Zusätzlich Scope 3 Kategorie 1-8 (Upstream: eingekaufte Waren, Transport, Geschäftsreisen)

  • Jahr 3: Vollständige Scope 3-Berichterstattung inkl. Downstream (Produktnutzung, End-of-Life)

  • Ausnahme: Bei nachweislicher Immaterialität kann Scope 3 auch später berichtet werden

Eine detaillierte Analyse der Änderungen findet ihr im Artikel zum Omnibus-Paket 2025.

Kritische Einordnung: Pragmatismus oder Verwässerung?

Die Kombination aus Stop-the-Clock (mehr Zeit) und Omnibus-Paket (weniger Komplexität) ist politisch und strategisch umstritten:

Pro: Pragmatismus und Proportionalität

  • Realistische Umsetzbarkeit: Unternehmen hatten faktisch nicht genug Zeit für hochwertige Erstimplementierung

  • Vermeidung von "Checkbox-Compliance": Mehr Zeit ermöglicht strategische statt hektische ESG-Integration

  • Ressourcenengpässe entschärfen: Berater, Prüfer und ESG-Software-Anbieter waren für 2026 überbucht

  • Fokus auf Wesentliches: Reduzierte Datenpunkte verhindern "Reporting Overkill" mit geringem Informationswert

  • KMU-freundlicher: Erleichterungen für Unternehmen bis 750 Mitarbeiter sind besonders für Mittelstand relevant

Contra: Schwächung der Ambition und Transparenz

  • Zwei Jahre verzögerte Transparenz: Investoren, NGOs und Verbraucher warten länger auf standardisierte Nachhaltigkeitsdaten

  • Wettbewerbsverzerrung: EU-Unternehmen berichten später als z.B. in Kalifornien (SB 253) oder Australien (kommende Standards)

  • Risiko inkonsistenter Materialität: Zu flexible Auslegung könnte Vergleichbarkeit untergraben

  • Verzögerte Scope-3-Transparenz: Lieferketten-Emissionen (oft 70-90% des Footprints) bleiben länger im Dunkeln

  • Biodiversitäts-Blindspot: Temporäre E4-Ausnahmen verschieben dringende Ökosystem-Bewertung

  • Politisches Signal: Könnte als Zurückweichen beim Green Deal interpretiert werden – Munition für ESG-Skeptiker

Strategische Implikationen für verschiedene Unternehmensprofile

Für ambitionierte ESG-Vorreiter

  • Differenzierung durch Freiwilligkeit: Voluntary Early Adoption als Wettbewerbsvorteil

  • Investor Relations: Frühe ESRS-Compliance signalisiert ESG-Leadership

  • Aber: First-Mover-Vorteile schwächer, wenn breiter Markt später nachzieht

Für regulatorische Minimalisten

  • Zeit für Build-up: Gestaffelte Datenerfassung ohne Qualitätseinbußen

  • Kostenoptimierung: Später Start ermöglicht Nutzung ausgereifterer Software-Tools

  • Aber: Stakeholder-Druck (Kunden, Banken) ignoriert formale Fristen oft

Für Mittelständler (250-750 Mitarbeiter)

  • Goldene Kombination: Stop-the-Clock + 750er-Erleichterungen schaffen machbare Einstiegshürde

  • Stufenweiser Aufbau: Jahr 1 nur Kernthemen (E1, S1, Gov), schrittweise Erweiterung

  • VSME als Orientierung: Auch wenn nicht formal anwendbar, können VSME-Konzepte adaptiert werden

Für börsennotierte KMU

  • Vier Jahre Zeit: Ermöglicht organischen ESG-Aufbau parallel zu Geschäftswachstum

  • VSME-Standard perfekt zugeschnitten: Reduzierte Anforderungen bei trotzdem standardisierter Kommunikation

  • Aber: Indirekte Berichtspflicht über Supply-Chain-Anforderungen bleibt bestehen

💡 Strategische Empfehlung: Nutze das Zeitfenster klug

Stop-the-Clock und Omnibus sind kein Freifahrtschein zum Nichtstun, sondern ein strategisches Fenster für:

  • 2025: Materialitätsanalyse und ESG-Quick-Wins (Energieeffizienz, Lieferantenkonsolidierung) – nutze CSRD Materiality Screening als Startpunkt

  • 2026: Dateninfrastruktur-Aufbau, Pilotprojekte, interne Schulungen

  • 2027: Mock-Reporting, Prozessoptimierung, Prüfer-Einbindung

  • 2028: Go-Live mit ausgereifter ESG-Infrastruktur statt Hektik-Compliance

Unternehmen, die diesen Phasenplan ignorieren und erst 2027 starten, werden dieselben Probleme erleben, die Stop-the-Clock vermeiden sollte.

XBRL-Taxonomie und digitales Tagging für ESRS-Berichterstattung

Ein oft unterschätzter Aspekt der ESRS: Die Verpflichtung zur maschinenlesbaren Berichterstattung via XBRL-Taxonomie (Extensible Business Reporting Language).

Warum digitales Tagging für ESRS?

Die EU verfolgt mit der XBRL-Taxonomie mehrere Ziele:

  • European Single Access Point (ESAP): Zentrale Plattform für alle Unternehmensdaten

  • Automatisierte Analyse: Investoren und Regulatoren können ESRS-Daten maschinenlesbar auswerten

  • Vergleichbarkeit: Standardisierte Tags ermöglichen Benchmarking zwischen Unternehmen

  • Effizienz: Reduktion manueller Datenerfassung für Stakeholder

XBRL in der Praxis: Was Unternehmen tun müssen

Unternehmen müssen ihre ESRS-Berichterstattung mit XML-basierten XBRL-Tags versehen:

  • Jeder berichtete Datenpunkt erhält einen eindeutigen XBRL-Tag

  • Die EFRAG entwickelt und pflegt die offizielle ESRS XBRL-Taxonomie

  • Software-Tools (z.B. ESG-Reporting-Plattformen) integrieren automatisches Tagging

  • Bei Erstanwendung: Einmaliger Mapping-Aufwand zwischen internen Systemen und XBRL-Tags

Kritisch: XBRL-Tagging ist nicht nur "technische Formalie", sondern erfordert inhaltliche Entscheidungen – z.B. welcher XBRL-Tag bei unternehmensindividuellen KPIs verwendet wird.

Timeline für XBRL-Verpflichtung

  • 2024-2025: Freiwilliges XBRL-Tagging möglich

  • 2026: XBRL-Tagging wird für Phase-1-Unternehmen verpflichtend

  • 2027: Ausweitung auf alle CSRD-pflichtigen Unternehmen

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu ESRS und CSRD

Was bedeutet die Stop-the-Clock-Richtlinie konkret für mein Unternehmen?

Stop-the-Clock verschiebt die CSRD-Berichtspflichten um zwei Jahre:

  • Große Unternehmen (Phase 2): Erst ab Geschäftsjahr 2027 statt 2025 berichtspflichtig

  • Börsennotierte KMU (Phase 3): Erst ab Geschäftsjahr 2028 statt 2026 berichtspflichtig

  • NFRD-Unternehmen (Phase 1): Keine Verschiebung – berichten wie geplant ab 2024

Wichtig: Die Verschiebung betrifft nur die formale Berichtspflicht. Stakeholder-Erwartungen (Investoren, Banken, Großkunden) ignorieren oft offizielle Fristen – viele fordern ESG-Daten bereits früher.

Welche Erleichterungen bringt das Omnibus-Paket für kleinere Unternehmen?

Das Omnibus-Paket führt gestaffelte Vereinfachungen ein:

  • Für alle: Reduzierung von 1.000+ auf ~400 Datenpunkte in ersten Berichtsjahren (-68%)

  • Unternehmen bis 750 Mitarbeiter:

    • Scope 3 erst ab Jahr 2 statt Jahr 1

    • Vereinfachte Wertschöpfungsketten-Berichterstattung

    • "Nicht verfügbar"-Kennzeichnung bei unverhältnismäßigem Aufwand erlaubt

    • Reduzierte Prüfungsanforderungen (Limited Assurance fokussiert auf Kern-ESRS)

  • Temporäre Ausnahmen (2025-2026):

    • ESRS E4 (Biodiversität): Keine quantitative Berichterstattung erforderlich

    • Sozialstandards (S1-S4): Vereinfachte Anforderungen in ersten Jahren

Sollte ich trotz Stop-the-Clock jetzt schon mit der ESRS-Vorbereitung beginnen?

Ja, unbedingt. Stop-the-Clock ist kein Freifahrtschein – aus drei Gründen:

  1. Indirekte Berichtspflicht bleibt: Wenn du Zulieferer CSRD-pflichtiger Unternehmen bist, verlangen diese Scope-3-Daten unabhängig von deiner eigenen Berichtspflicht

  2. Strategischer Vorteil: Unternehmen, die ESG-Infrastruktur vor der Deadline aufbauen, können:

    • ESG-Quick-Wins identifizieren (Kosteneinsparungen, Effizienzgewinne)

    • Bei Finanzierungen/M&A ESRS-Readiness demonstrieren

    • Wettbewerbsvorteil durch frühere Transparenz gegenüber Investoren

  3. Vermeidung von Last-Minute-Stress: Die zwei Jahre ermöglichen gestaffelten Aufbau (2025 Materialität, 2026 Dateninfrastruktur, 2027 Mock-Report) statt Hektik-Compliance kurz vor Deadline

Pragmatischer Ansatz: Nutze CSRD Materiality Screening für erste Einschätzung, dann schrittweiser Aufbau.

Gelten die Erleichterungen für 750-Mitarbeiter-Unternehmen auch für größere Firmen?

Teilweise ja – das ist ein oft übersehenes Detail des Omnibus-Pakets:

  • Unternehmen mit 750-1.000 Mitarbeitern können die Erleichterungen in den ersten beiden Berichtsjahren nutzen

  • Danach schrittweiser Übergang zu vollständigen ESRS-Anforderungen

  • Begründung: Auch "kleinere große Unternehmen" benötigen Aufbauzeit für ESG-Infrastruktur

Wichtig: Diese Regelung ist komplex und hängt von spezifischen Unternehmenskriterien ab – im Zweifel spezialisierte Beratung einholen.

Was ist der Unterschied zwischen ESRS und CSRD?

Die CSRD (Corporate Sustainability Reporting Directive) ist die EU-Richtlinie, die festlegt, wer berichten muss und wann. Die ESRS (European Sustainability Reporting Standards) sind die technischen Berichtsstandards, die definieren, wie und was berichtet werden muss. Vereinfacht: Die CSRD ist das Gesetz, die ESRS sind die Berichtsvorlage.

Welche ESRS sind immer verpflichtend?

ESRS 1 (Allgemeine Anforderungen) und ESRS 2 (Allgemeine Angaben) gelten für alle CSRD-pflichtigen Unternehmen ohne Materialitätsprüfung. Die themenspezifischen ESRS E1-E5, S1-S4 und G1 müssen nur berichtet werden, wenn die entsprechenden Themen in der doppelten Materialitätsanalyse als wesentlich identifiziert wurden.

Wie unterscheidet sich die ESRS-Materialität von bisherigen Ansätzen?

Die ESRS verlangen doppelte Materialität: Unternehmen müssen sowohl bewerten, wie sie Umwelt und Gesellschaft beeinflussen (Inside-out/Impact Materiality) als auch wie Nachhaltigkeitsthemen das Unternehmen finanziell beeinflussen (Outside-in/Financial Materiality). Ein Thema gilt bereits als material, wenn eine der beiden Dimensionen erfüllt ist – die Schwelle liegt damit deutlich niedriger als bei rein finanzieller Wesentlichkeit.

Können Unternehmen ESRS-Themen als nicht-material einstufen?

Ja, aber: Die Begründung muss substanziiert sein und die ESRS 2 Anforderungen an die Dokumentation der Materialitätsanalyse erfüllen. Bei ESRS E1 Klimawandel geht die EU-Kommission davon aus, dass dieser Standard faktisch für fast alle Unternehmen material ist – Ausnahmen sind nur in begründeten Einzelfällen möglich.

Was bedeutet die ESRS-Berichtspflicht für nicht-berichtspflichtige KMU?

KMU, die selbst nicht unter die CSRD fallen, sind oft indirekt betroffen: Als Zulieferer CSRD-pflichtiger Unternehmen müssen sie Daten für deren Scope-3-Berichterstattung (Wertschöpfungsketten-Emissionen) bereitstellen. Praktisch bedeutet dies: Auch nicht-berichtspflichtige KMU sollten zumindest grundlegende ESG-Daten (insbesondere Product Carbon Footprints) systematisch erfassen.

Wie bereitet man sich als Mittelständler auf die ESRS vor?

Pragmatischer Ansatz für Mittelständler:

  1. Bestimmung der Berichtspflicht: Fällt das Unternehmen unter Phase 2 (2025), Phase 3 (2026) oder indirekt über Lieferkette?

  2. Quick Assessment: Erste Materialitätsbewertung mit CSRD Materiality Screening Tool

  3. Gap-Analyse: Welche ESRS-Daten sind bereits verfügbar (z.B. aus Energieaudits, Arbeitssicherheitsberichten)?

  4. Quick Wins identifizieren: Low-hanging fruits bei der Datenerfassung (z.B. bestehende Controlling-Daten nutzen)

  5. Externe Unterstützung: Spezialisierte ESG-Beratung für Projektplanung und Priorisierung

Sind die ESRS mit globalen Standards kompatibel?

Die ESRS orientieren sich an international etablierten Frameworks – insbesondere:

  • ISSB Standards: Hohe Überschneidung bei klimabezogenen Offenlegungen

  • GRI (Global Reporting Initiative): Konzept der Impact Materiality stammt aus GRI-Tradition

  • TCFD (Task Force on Climate-related Financial Disclosures): ESRS E1 integriert TCFD-Empfehlungen

Die EU-Kommission strebt explizit "Interoperabilität" an – dennoch: Die ESRS sind nicht identisch mit diesen Frameworks, sondern eine eigenständige EU-Regulierung mit spezifischen Anforderungen.

Was kostet die ESRS-Implementierung?

Die Kosten variieren erheblich nach Unternehmensgröße und ESG-Reifegrad:

  • Mittelständler (erstmalig berichtspflichtig): 150.000-500.000 EUR für Erstimplementierung (inkl. Beratung, Software, interne Ressourcen)

  • Großunternehmen mit bestehender CSR-Berichterstattung: 50.000-200.000 EUR für ESRS-Upgrade

  • Laufende Kosten: 0,5-2 VZÄ für Nachhaltigkeitsmanagement plus Software-Lizenzkosten (10.000-50.000 EUR/Jahr)

Kritisch: Diese Kosten sollten nicht nur als Compliance-Aufwand betrachtet werden – ESRS-konforme Nachhaltigkeitsberichterstattung eröffnet auch Zugang zu Green Finance, verbessert die Reputation und kann operative Effizienzgewinne identifizieren.

Wie entwickeln sich die ESRS-Standards weiter?

Die ESRS sind als "lebendes System" konzipiert:

  • Set 2 ESRS (sektorspezifische Standards): Voraussichtlich 2026

  • Non-EU ESRS (für Nicht-EU-Tochtergesellschaften): In Entwicklung

  • Regelmäßige Reviews: EFRAG überarbeitet Standards alle 3 Jahre basierend auf Praxiserfahrungen

  • Technologische Evolution: Weiterentwicklung der XBRL-Taxonomie, Integration von AI-Tools für Datenerfassung

Wo bekommen Unternehmen offizielle Hilfe zur ESRS-Umsetzung?

Offizielle Ressourcen:

  • EFRAG: www.efrag.org – Implementation Guidance, Q&A, XBRL-Taxonomie

  • EU-Kommission: Offizielle Q&A zur CSRD

  • Nationale Regulatoren: In Deutschland z.B. DRSC (Deutsches Rechnungslegungs Standards Committee)

Externe Unterstützung: Spezialisierte ESG-Berater können die Implementierung signifikant beschleunigen – kontaktiere uns für eine strategische Einschätzung deiner ESRS-Roadmap.

Zusätzliche Ressourcen und weiterführende Informationen

Offizielle Quellen und Dokumente

Fiegenbaum Solutions: Praxisleitfäden zur ESRS-Umsetzung

Quick-Check-Tools für ESRS-Assessment

Strategische ESRS-Beratung: Wie Fiegenbaum Solutions unterstützt

Die ESRS-Implementierung ist mehr als ein Compliance-Projekt – sie ist eine strategische Transformation, die ESG-Integration, Risk Management und Stakeholder-Kommunikation fundamental verändert. Mit über 15 Jahren Erfahrung und 300+ ESG-Projekten unterstütze ich Unternehmen bei:

  • Strategische Roadmap-Entwicklung: Pragmatische Priorisierung von ESRS-Anforderungen nach Business-Relevanz

  • Double Materiality Assessments: Strukturierte Durchführung und Dokumentation gemäß ESRS 2

  • Gap-Analysen und Quick Wins: Identifikation bereits verfügbarer Daten und kritischer Lücken

  • ESG-Datenarchitektur: Build-vs-Buy-Entscheidungen für Software-Infrastruktur

  • Audit-Vorbereitung: Interne Kontrollsysteme für prüfungssichere Berichterstattung

  • VC-spezifische ESRS-Integration: Portfolio ESG-Management und SFDR-Alignment

Besonderheit: Meine Beratung integriert die VC- und Impact-Investment-Perspektive – ich unterstütze nicht nur berichtspflichtige Unternehmen, sondern auch Investoren bei ESG-Due-Diligence und Portfolio-Reporting gemäß ESRS-Anforderungen.

Kontaktiere mich für ein strategisches Gespräch über deine ESRS-Roadmap – ich entwickle maßgeschneiderte Lösungen, die Compliance-Anforderungen mit deinen spezifischen Geschäftszielen verbinden.

 

Johannes Fiegenbaum

Johannes Fiegenbaum

ESG- und Nachhaltigkeitsberater mit Spezialisierung auf CSRD, VSME und Klimarisikoanalysen. 300+ Projekte für Unternehmen wie Commerzbank, UBS und Allianz.

Zur Person